Die Totensammler
Café-Besitzer heißt Zane Reeves. Er trägt ein Toupet, das höchstens so viel gekostet hat, wie er mit achtzig Kaffee verdient. Er ist einer dieser Typen, die sich beim Sprechen ständig irgendwo anlehnen müssen. Er stützt sich auf dem Tresen ab und stemmt die andere Hand in die Hüfte, während er mit vorgestrecktem Bauch dasteht. Erst lächelt er noch, doch dann stelle ich mich vor, und er realisiert, dass ich kein Kunde bin. Im Café riecht es nach warmem Essen und Kaffee; es ist voller Leute, alle um die zwanzig, die an einem unglaublich heißen Tag aus kleinen Tassen heißen Kaffee trinken. Der Raum ist vom leisen Gemurmel ihrer Gespräche erfüllt, und aus den Lautsprechern dringt eine Mischung aus Klassik- und Folk-Gitarren-Musik, die mich langsam einlullt. Reeves’ Lächeln erstarrt zur Grimasse, und er führt mich durch eine Tür in die Küche.
»Ich hab schon mit der Polizei gesprochen«, sagt er.
»Dann können Sie sich ja noch an alles erinnern.«
»Fragen Sie die. Wenn die wollen, dass Sie Bescheid wissen, können die Ihnen alles erzählen.«
»Hat Emma mal irgendwelche Kunden erwähnt, die ihr verdächtig vorkamen? Jemand, der ihr gefolgt ist oder den sie unheimlich fand?«
»Wir alle wollen Emma zurückhaben, Kollege. Aber Sie haben eine schlechte Bilanz, was die Leute betrifft, mit denen Sie zu tun hatten. Emma ist besser dran, wenn Sie nicht nach ihr suchen.«
»Das sieht ihr Vater anders.«
»Die Menschen treffen falsche Entscheidungen, wenn sie verzweifelt sind.«
»Verzweifelt? Glauben Sie etwa, sie ist tot?«
»Sie nicht, Kollege? Ich hoffe wirklich, dass ihr nichts passiert ist, sie ist ein klasse Mädchen und eine zuverlässige Mitarbeiterin. Aber ich schaue wie jeder andere die Nachrichten. Ich bin kein Idiot.«
»Haben Sie deshalb schon ein Schild mit der Aufschrift Aushilfe gesucht ins Fenster gestellt?«
»Lecken Sie mich am Arsch, Mann«, sagt er und deutet mit dem Finger auf mich. »Ich bin Geschäftsmann. Ich kann ihre Stelle nicht unbesetzt lassen. Sehen Sie die Leute da draußen? Denen ist egal, von wem sie bedient werden, Hauptsache, sie werden bedient. Es ist zum Kotzen, aber so ist das nun mal. Es gibt hier nichts für Sie zu holen, Kollege. Sie haben Emma schon mal wehgetan, und ich werde Ihnen jetzt nicht dabei helfen, ihrer Familie wehzutun.«
»Wo parkt sie normalerweise? Hinter dem Haus?«
»Da parken wir alle.«
»Gibt es dort Überwachungskameras?«
»Sieht das hier aus wie eine Bank? Und jetzt machen Sie, dass Sie hier wegkommen.«
Ich versuche, mit den anderen Mitarbeitern Augenkontakt herzustellen, in der Hoffnung, dass einer von ihnen mit mir reden möchte, doch alle wenden sich ab. Erneut nehme ich den Parkplatz unter die Lupe. Etwas Absperrband, das von den Nachforschungen der Polizei liegen geblieben ist, hat sich am Müllcontainer verfangen und flattert im Wind. Es ist niemand da, und hier parken auch keine Autos. Gut möglich, dass Emma hier entführt wurde, nachts ist der Parkplatz bestimmt ziemlich dunkel und verlassen. Gut möglich, dass sie auf dem Weg zu ihrem Wagen überfallen wurde, der Entführer sie in ihren Kofferraum verfrachtet hat und davongebraust ist. Ich öffne den Müllcontainer, auch wenn ich weiß, dass die Polizei die Gegend bereits abgesucht hat. Denn plötzlich beschleicht mich das ungute Gefühl, dass Emma Green sich in dem Container befindet. Aber bis auf ein paar Mülltüten ist er leer. An der vorderen Ecke des Containers befinden sich rote Lackspuren von einem Wagen. Jemand ist beim Rausfahren daran entlanggeschrammt.
Ich gehe auf alle viere und suche nach irgendwas, das hier nicht hingehört oder beim Kampf heruntergefallen ist. Doch ich entdecke lediglich ein paar Ölflecken, etwas Unkraut, das sich durch den aufgeplatzten Asphalt gebohrt hat, und getrocknete Hundescheiße. Die Sonne knallt mir in den Nacken. Und als ich wieder aufstehe, tut mir kurz der Rücken weh. Wenn hier irgendwas war, hat die Polizei es bereits gefunden.
Während ich zu meinem Wagen zurücklaufe, denke ich, dass ich den falschen Job habe. Ich kann nicht viel unternehmen, bevor ich die Polizeiakte habe. Außer noch mehr von Emmas Freunden befragen, von denen die meisten wahrscheinlich nicht mit mir reden wollen. Offenbar hat Donovan Green sich diejenige Person auf diesem Planeten ausgesucht, die ihm am wenigsten helfen kann. Wie Zane Reeves gesagt hat: Ein verzweifelter Mann trifft falsche Entscheidungen.
Inzwischen sind ein paar Stunden
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