Die Totentänzerin: Ein Fall für Nils Trojan 3 - Psychothriller (German Edition)
weitermachte, würde er noch zum Trinker werden. Aber nein, dachte er, er war doch die Disziplin in Person, bei seinen Mitarbeitern geradezu gefürchtet für seine Standhaftigkeit.
Und Hilmar Landsberg ballte die Faust. Er dachte an sein Gespräch mit Nils Trojan zurück, und sein Pulsschlag erhöhte sich.
Noch einen Fingerbreit.
Er lockerte seine Krawatte. Dann schnallte er sein Holster ab und nahm das Magazin aus der Waffe.
Merkwürdig, dass ihn gerade jetzt die Erinnerung an einen seiner ersten Einsätze als junger Polizist überfiel, blitzartig, in einem Stakkato überbelichteter Bilder, das zerschossene Gesicht eines Selbstmörders, die Schrotflinte in der offenen Hand, Sprenkel von Blut und Hirnmasse auf dem Teppich, das wütende Muster einer Selbstzerstörung, wie auf einem Gemälde von Jackson Pollock.
Und er hatte seinem damaligen Vorgesetzten auf die Schuhe gekotzt.
Es schüttelte ihn.
Er hätte Trojan vor ein paar Tagen nicht hierherschicken sollen. Wie konnte er nur so vertrauensselig sein. Nun war es zu spät, nun hatte sein Stellvertreter und fähigster Ermittler den schmalen Grat ausgemacht, auf dem Theresa zuweilen wandelte. Manchmal erkannte er seine Frau selbst nicht mehr, so verschlossen, so entrückt war sie, und an anderen Tagen konnte sie ausgelassen sein wie ein junges Mädchen und beglückte ihn mit diesem unbeschwerten Lächeln, in das er sich einst verliebt hatte.
Nur dass diese Tage immer seltener wurden.
Wenn sie jetzt bei ihm wäre, würde er so tun, als wäre nichts vorgefallen, als hätte er sich nicht schon über den Zuckerguss auf dem Kuchen am ersten Tatort gewundert, könnte ja auch ein Zufall sein. Nur weil seine Frau, die leidenschaftlich gern backte, ihn in besseren Zeiten öfter mit einer solchen Verzierung auf ihren Naschereien überrascht hatte, hieß das noch lange nicht, dass nicht auch andere diese Vorliebe hatten. Warum sollte nicht auch Carlotta Torwald ihren Lebensgefährten damit erfreut haben ? Nein, das mit dem Kuchen war sicherlich bloß ein Hirngespinst von ihm.
Weitaus schwerer wog, was Nils Trojan angeblich gesehen hatte. Und der war gewissenhaft und würde niemals vorschnell einen Verdacht äußern, außerdem konnte man sich auf sein untrügliches Personengedächtnis verlassen.
Wenn es also nun stimmte ? Das ergab doch alles keinen Sinn. Warum sollte sich Theresa unter die Schaulustigen an einem Mordtatort mischen ? Hatte sie denn jemals ihm gegenüber eine Mara Hertling erwähnt ? Sollte er nicht richtig zugehört haben ? Er wusste viel zu wenig über seine Frau.
Aber er kannte doch ihre Freundinnen, viele waren es ohnehin nicht. Nein, der Name Mara war niemals gefallen.
Was tat sie bloß hinter seinem Rücken ?
Er schimpfte sich einen Idioten, musste er Trojan auch noch erzählen, dass Theresa in der Mordnacht nicht nach Hause gekommen war !
Schluss jetzt, nicht mehr darüber nachgrübeln, bestimmt gab es für alles eine ganz einfache Erklärung. Sie hatte doch schon öfter beklagt, dass sie sich von seiner Arbeit ausgeschlossen fühlte, vielleicht war sie auf die glorreiche Idee gekommen, den Polizeifunk abzuhören und seine Ermittlungen zu überwachen.
Landsberg zog eine Grimasse, natürlich war das nicht besonders einleuchtend. Er verstaute das Magazin in der Schublade der Anrichte und schob die Waffe unter das Sofapolster. Er fürchtete den Moment, da er seine Frau zur Rede stellen musste.
Nachdem er in der Küche das Essen vom Vortag aufgewärmt und vorsorglich den Tisch für zwei Personen gedeckt hatte, ertappte er sich dabei, wie er Theresas Weinglas füllte, als habe er eine Verabredung mit einem Phantom.
Er aß ohne Appetit, schaute zur Uhr, es war kurz vor elf. Wo blieb sie nur ? Wieder war sie auf dem Handy nicht zu erreichen.
Und wenn ihr nun doch etwas zugestoßen war ? Sollte er sich an die Vermisstenstelle wenden, demütigende Fragen nach seinem Privatleben über sich ergehen lassen, vor allem danach, ob seine Frau einen Liebhaber hatte ? Zum Gespött der Kollegen werden ? Nein, es reichte, dass er sich in einem Anfall unverzeihlicher Sentimentalität Nils Trojan anvertraut hatte.
Und der kam ihm dann auch noch mit Vorschriften, Befangenheit und all dem Kram, was war nur in ihn gefahren ?
Die aufgezeichnete Stimme des Notrufs: Könnte das Theresas sein ? Wie oft hatte er sich das heute schon gefragt, sein Gehirn darüber zermartert.
Es half nichts, er musste hier raus. Hatte er schon zu viel getrunken, durfte er noch fahren
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