Die Traene des Drachen
nichts über Eleas Unberührtheit sagen wollen. Sie meinte, du seist Experte darin. Was meint sie damit? Und überhaupt warum ist sie die Expertin für Gefühle?“, fragte Finlay mit hoch gezogener Augenbraue. „Finlay, ich kann dir nur so viel dazu sagen, dass sie noch genauso unberührt ist, wie sie es bei ihren Eltern zu Hause war. Und was die Sache mit den Gefühlen angeht, wird Jadora dir eine Menge darüber erzählen können.“
„ Entschuldige bitte, dass mich das mehr als erstaunt. Aber auch wenn sie auf eurer Reise nach Moray die ganze Zeit über diese Jungenkleidung getragen hat, kann ich mir nicht vorstellen, dass ihre Reize dich unbeeindruckt ließen.“ Maél wurde Finlays Fragerei jetzt zu persönlich. Ungehalten knurrte er ihn an. „Ich werde meine Gefühlswelt ganz sicherlich nicht hier und jetzt vor dir ausbreiten. Das Einzige, was zählt, ist, dass ich sie über alles liebe. Das muss dir genügen. Aber Jadora kann sicherlich auch die eine oder andere Weisheit zu diesem...“ Finlay unterbrach Maél jäh. „Was im Himmels Namen hat sie mit ihren Haaren gemacht?!“ Während Maél den Zelten den Rücken zugedreht hatte, hatte Finlay freien Blick auf Maéls und Eleas Zelt, die im Eingang erschienen war, und zwar ohne Kopftuch. Maél drehte sich rasch um und sah sie nun auch - mit ihrer neuen Frisur. Sie hat es tatsächlich gewagt... „Diese Frau treibt mich noch in den Wahnsinn!“ Außer sich ging er mit eiligen Schritten auf die junge Frau zu. Finlay hielt ihn nochmals am Arm zurück. „Was hast du vor? Vergiss nicht, sie ist verletzt! Auch wenn du sie liebst, sehe ich mich trotzdem noch als ihren Beschützer. Also wenn ich auch nur den geringsten Laut von ihr höre, werde ich in eurem Zelt auftauchen.“ Maél brummte nur unverständliche Worte und riss sich von ihm los.
Elea dauerte es viel zu lange im Zelt allein ohne Maél. Sie wollte mit ihm unbedingt noch ein paar Worte wechseln, bevor sie den einschläfernden Sud trinken würde. Deshalb kam sie zum Zelteingang, um nachzusehen, wo er blieb. Dabei hatte sie völlig vergessen, dass sie das Tuch längst vom Kopf gewickelt hatte. Erst in dem Moment, als Finlay sie mit entsetztem Gesichtsausdruck ansah, erinnerte sie sich wieder an den ungewohnten Anblick, den sie bot. Von Maéls finsterer Miene konnte sie unschwer ablesen, dass er außer sich war vor Wut. Deshalb zog sie sich rasch wieder in das Zelt zurück. Da es zu niedrig war, um stehen zu können, kniete sie sich auf ihren Fellumhang und wartete bis Maél am Zelteingang erschien. Sein grimmiger Blick streifte über ihr Haar, bevor er ebenfalls in das Zelt gekrochen kam. Er ließ sich vor ihr auf die Knie nieder und versuchte, sichtlich seine Aufgebrachtheit unter Kontrolle zu bekommen. Er atmete ein paar Mal tief ein und bemühte sich, die zu Fäusten geballten Hände wieder zu entkrampfen. Dann erst ergriff er mit der immer noch verbundenen Hand zaghaft eine ihrer kurzen Haarsträhnen. Elea war so berührt von seiner Reaktion, dass sie ihn schuldbewusst anblickte. „Warum hast du das getan, Elea? Du weißt doch, wie sehr ich dein Haar liebe!“, fragte er mit gepresster Stimme. „Maél, du weißt selbst, wie sehr sie mir zur Last fallen. Sie sind in der Woche auf dem Schloss schon wieder fast zwei Handbreit gewachsen. Es fehlte nicht mehr viel und sie hätten mein Hinterteil berührt“, versuchte Elea ihr Handeln zu rechtfertigen.
„ Wann hast du es getan? Eben, in der kurzen Zeit, wo du allein... Finlay, verschwinde von unserem Zelt! Ich kann dich riechen und hören“, schrie er in Richtung Zelteingang und fuhr mit ebenso lauter Stimme fort: „Ich schwanke noch, ob ich sie an den nächsten Baum hängen oder ihr den Hintern versohlen soll. Ich tendiere momentan zur zweiten Alternative.“ Elea antwortete kleinlaut: „Belana hat sie mir abgeschnitten.“ Maél wollte seinen Ohren nicht trauen. „Belana? Das tat sie aber sicherlich nur, weil du sie mit einer deiner magischen Wellen manipuliert hast!?“
„ Nein! Ich habe sie überhaupt nicht manipuliert! Ich habe ihr nur vor Augen geführt, dass ästhetische Gesichtspunkte bei der Art der Reise, die vor mir liegt, bedeutungslos sind. Ich denke jedoch, dass für sie letztendlich ausschlaggebend war, dass ich mich nicht einfach über sie hinweggesetzt, sondern dass ich Wert auf ihre Zustimmung gelegt habe. Darüber war sie sichtlich gerührt. Sie biss dann die Zähne zusammen und schnitt sie mir ohne mit der Wimper zu
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