Die Traene des Drachen
Wunder – ein übersinnliches Wunder. In dieser Hinsicht seid ihr euch ja ähnlich, wenn auch auf einer anderen Ebene.“
Es trat eine Pause ein, in denen beide ihren eigenen Gedanken nachhingen. Diesmal war es jedoch Finlay, der das Schweigen unterbrach. „Sie muss dich wirklich sehr lieben, wenn sie sogar dazu bereit war, dir von ihrem Blut zu trinken zu geben, obwohl sie wusste, welche Konsequenzen sich daraus für sie ergeben. Und dass ihre Unberührtheit nicht angetastet hast, obwohl du gar nicht wusstest, welche Rolle diese spielt – allein aus deinem Gefühl heraus, dass sie für ihr Leben von Bedeutung sein muss – spricht für dich. Das muss ich unumwunden zugeben. Dass dir das nicht leicht gefallen ist, kann ich mir lebhaft vorstellen.“ Über Finlays Lippen huschte ein amüsiertes Lächeln.
„ Es war ein Befehl von Darrach. So gesehen...“, Maéls Stimme brach plötzlich ab. „Was ist los, Maél? Wieso redest du nicht weiter? Was ist das eigentlich zwischen dir und Darrach?“
„ Verdammt, ich kann es nicht sicher sagen, ob... oder doch?“
„ Meine Güte! Jetzt sag schon, was ist los?“
„ Es kann nicht sein. Es ist einfach unmöglich. Vielleicht...“ Maél sprach wie mit sich selbst, während Finlay neben ihm immer ungeduldiger wurde. „Willst du mir jetzt nicht endlich sagen, was dich so aus der Fassung bringt?“
„ Darrach ist ein Zauberer, der sich der dunklen Mächte verschrieben hat. Er hat mich mit einem bösen Zauberbann in seiner Gewalt. Ich muss das tun, was er mir befiehlt. Ich kann dieser Macht oder diesem Drang, der dadurch mir innewohnt, nicht entgehen, auch wenn ich mich noch so sehr dagegen sträube. So war es zumindest bisher. Bei dem Befehl, Elea unberührt nach Moray zu bringen, bin ich mir auf einmal nicht mehr sicher, ob ich ihn vielleicht doch hätte missachten können. Glaube mir, es gab mindestens zwei Situationen, in denen ich beinahe schwach geworden wäre, wenn ich nicht, das unerklärliche Gefühl gehabt hätte, dass es für Eleas Schicksal fatale Folgen hätte, wenn wir uns einander hingeben würden. Der von Darrach auferlegte Zwang, sie nicht anzurühen, war für meine Zurückhaltung möglicherweise gar nicht ausschlaggebend. Vielleicht verliert Darrachs Macht über mich an Stärke bei Befehlen, die unmittelbar Elea betreffen, weil die Liebe, die wir füreinander empfinden, groß genug ist, um diese dunkle Macht auf wundersame Weise zu überwinden. Und wenn ich recht überlege, damals im Sumpf, als diese Kreaturen mich in ihrem Kreis ebenfalls durch magische Eiseskälte gefangen hielten, da genügte allein die Erkenntnis, dass ich Elea über alles liebe, dass eine Wärme in mir entstand, die groß genug war, um der Kälte in mir entgegenzuwirken und den dämonischen Gestalten zu entkommen.“
Beide Männer schwiegen für eine Weile. Jeder schien über etwas nachzugrübeln. Schließlich drehte Finlay sein Gesicht Maél zu und fragte ihn mit belegter Stimme: „Wenn du alles tun musst, was Darrach dir befiehlt, welche Befehle hat er dir dann für diese Reise mit auf den Weg gegeben?“ Maél sah Finlay nachdenklich an. Er zögerte, weil er sich nicht sicher war, ob es gut wäre, ihn jetzt schon in seinen Plan einzuweihen. Eines wusste er jedoch mit Sicherheit, nämlich dass Finlay neben Elea und Jadora zu dem kleinen Personenkreis gehörte, dem er vertrauen konnte, trotz ihres jahrelangen Bruches und ihrer Feindschaft.
„ Also gut, Finlay. Der erste Befehl, den er mir erteilte, betrifft dich. Ich werde jedoch zu deinem Glück nie gezwungen sein, ihn auszuführen.“ Finlay sah ihn zugleich mit gespanntem und ungläubigem Gesichtsausdruck an. „Ich soll dich töten, wenn sich zwischen dir und Elea eine Liebesbeziehung anbahnt.“ Finlays Augen wurden immer größer. Nach dem ersten Schock über diese Offenbarung hakte er mit rauer Stimme nach: „Warum das denn?“
„ Das kann ich dir nicht sagen, weil es etwas mit dem zweiten Befehl zu tun hat. Vielleicht kommst du selbst drauf. Wichtig ist nur, falls du drauf kommst, dann musst du mir schwören, niemals Elea davon zu erzählen. Sie darf es nicht erfahren. Es ist zu ihrer eigenen Sicherheit. Das mag jetzt für dich alles sehr verworren und rätselhaft klingen, aber du musst mir dabei vertrauen, so schwer es dir nach all den Jahren fallen wird.“ Maél schwieg einen Moment, damit Finlay seine Worte verarbeiten konnte. Nach einer Weile fuhr Maél fort. „Der dritte und letzte Befehl ist der, der mir
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