Die Traene des Drachen
wartete. Doch Elea wurde ungeduldig. Sie setzte sich durch den Schnee stapfend in Bewegung, um die beiden zu suchen. Bevor sie sie sehen konnte, vernahm sie schon ihre Stimmen. Sie kamen ihr an der Seite des haushohen Schneebergs entgegen. Maél trug seine Maske, die er sofort herunternahm, als er Elea erblickte. Er lächelte ihr ermutigend zu, während Finlay aus seinem gegenwärtigen Gefühlszustand keinen Hehl machte. Sein Gesichtsausdruck spiegelte deutlich Nervosität und Unsicherheit wider. Maél blieb vor ihr stehen, zog sie unvermittelt an seine Brust und schlang seine Arme um sie. Zärtlich glitten seine Lippen über ihre, was ihren Körper erzittern ließ. Als er sich wieder von ihr löste, begann sie mit einem Beben in der Stimme zu sprechen. „Und wie sieht es aus? Hast du eine geeignete Stelle gefunden?“
„ Wir werden es an der westlichen Seite, auf die die Sonne scheint, versuchen, und zwar nahe dem Berg. So müssen wir wesentlich weniger Schneemassen durchdringen, als wenn wir von hier anfangen. Ich habe allerdings die Vermutung, dass es völlig unerheblich ist, wo wir es angehen, weil Magie im Spiel sein wird, deine und möglicherweise noch eine andere. Finlay ist aber der Meinung, dass wir es nahe am Berg versuchen sollten.“ Finlay verlieh Maéls Äußerung Nachdruck, indem er Elea mit ernster Miene zunickte.
„ Also ich muss zugeben, dass der Schneehaufen in meinem Traum nicht so riesig war. Aber in dem Moment, als ich losrannte, stand ich frontal vor dem Berg. Rein intuitiv würde ich es vorziehen, von genau hier zu starten, so widersinnig es dir auch erscheinen mag, Finlay.“ Endlich brachte Finlay einen Ton heraus. „Ich dachte nur, dass es einfacher wäre, von dort loszulaufen, wo wir am wenigsten Schnee zu durchdringen haben. Aber wenn dir dein Gefühl sagt, es von hier zu probieren, dann soll es so sein“, pflichtete er ihr mit angespanntem Unterton bei. „Also gut. Wir machen es von hier. Zeigt dein Stein irgendeine Reaktion?“, fragte Maél mit einer Stimme, die Ruhe und Gelassenheit vermittelte. Elea zog an dem Lederriemen, bis der Stein hervorkam. Er sah wie immer aus. Er strahlte weder ein rotes Licht aus noch fühlte er sich warm an. Sie blickte kopfschüttelnd zu ihm auf. „Nun gut! Wir werden sehen. Vielleicht beginnt er erst dann zu leuchten oder warm zu werden, wenn du deine Magie in dir aufbaust. Finlay hol dein Gepäck! Elea du auch!“ Zu Jadora gewandt fragte er nach dem Proviant. Elea schulterte ihren Rucksack mit Fellumhang und ihren Bogen mit dem Köcher. Die beiden Männer hatten sich ihre Satteltasche über die Schulter geworfen und ihr Schlaffell unter den Arm geklemmt. An Waffen trug nur Maél sein Schwert umgürtet, da Finlay ohnehin nicht fähig war, eines zu führen. Misstrauisch sah er zuerst auf das Schwert und dann fragend in Maéls Gesicht. Er wollte gerade zu einem Kommentar ansetzen, als Maél ihm kopfschüttelnd ein Zeichen gab, es zu unterlassen. „Wir gehen noch ein paar Schritte vom Lager weg. Dann hast du mehr Ruhe, um dich zu konzentrieren“, lenkte Maél schnell von Finlays sich anbahnenden Einwand ab. Er wollte Elea gerade an die Hand nehmen, da fiel ihr noch etwas ein. „Wartet noch! Ich muss mich noch von Shona verabschieden. Was wird nur aus ihr werden?“, fragte sie hilfesuchend in die Runde. Finlay und Jadora setzten beide zu einer Antwort an, wobei Finlay dann Jadora den Vortritt gab. „Ich werde mich schon um sie kümmern. Ich bringe sie zurück nach Moray. Und wenn ich keinen passenden Besitzer für sie finde, dann behalte ich sie oder...“
„ Nein. Das kommt gar nicht in Frage!“, schaltete sich nun doch Finlay ein. „Ich nehme sie und wenn du zurückkehrst, dann wartet sie auf dich in meinem Stall. Einverstanden?“
Elea musste schwer schlucken, rang sich jedoch ein Lächeln ab und nickte, bevor sie zu der Stute eilte. Finlay warf indessen Maél einen ernsten Blick zu. Dieser schloss für einen kurzen Moment die Augen und atmete tief durch, bevor er sie wieder öffnete und Finlay dankend zunickte. Nach ein paar Augenblicken sagte er: „Ich befürchte, sie wird Probleme haben, schöne Gefühle in sich wach zu rufen. Die ganze Situation ruft in ihr schlechte Empfindungen hervor. Und der Abschied von dem Pferd, jetzt unmittelbar, bevor sie die heiße magische Energie aufbauen muss, macht es auch nicht gerade leichter“, gab Maél zu bedenken.
Wenig später kam sie zurück. Der Abschied von Shona hatte wie erwartet Spuren
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