Die Traene des Drachen
Überraschung über Eleas Angriff, wie gelähmt, da stand und immer geräuschvoller atmete. Ahnend, dass der Mann seinem Jähzorn über ihre Tat gleich freien Lauf lassen würde, erhob sie sich langsam und ging ein paar Schritte rückwärts. Ihr Kopftuch und ihre Lederjacke saugten sich immer mehr mit dem auf sie niederprasselnden Regen voll. Sie spürte Todesangst in ihr hochkriechen. Seine anhaltende Bewegungslosigkeit führte sie darauf zurück, dass er sich wahrscheinlich noch irgendeine grausame Bestrafung überlegte, bevor er sie sich greifen wollte. „Ich habe Euch gewarnt. Das wird Euch noch leid tun!“, keuchte er außer sich vor Wut. Nur wenige laute Atemzüge später zog er mit einer betont langsamen Bewegung seine Maske vom Gesicht, schleuderte sie auf den Boden und schritt mit wutverzerrtem Gesicht auf Elea zu. Die junge Frau reagierte blitzschnell und rannte los, nur weg von ihm – allerdings mit der Gewissheit, dass sie ihm gnadenlos unterlegen war und er sie gleich zu fassen bekäme. Und so war es dann. Mit nur wenigen seiner riesigen, schnellen Schritte holte er sie ein und stürzte sich genauso, wie er es bereits bei ihrer ersten Begegnung gemacht hatte, mit einem lauten Brüllen auf sie und riss sie zu Boden. Er drehte sie blitzartig auf den Rücken und drückte ihre Arme, mit denen sie wie wild um sich schlug, in einem schmerzhaften Griff seitlich an ihrem Kopf auf die Erde, während das Gewicht seines Körpers so auf ihr lastete, dass sie kaum Luft holen konnte. Sein heißer Atem zischte über ihr Gesicht, als er ihr durch zusammengebissenen Zähnen zuknurrte: „Ich garantiere Euch, spätestens morgen Abend habe ich Euch gefügig gemacht und ihr werdet mich um Gnade anwinseln.“ Elea sah zum ersten Mal in sein unmaskiertes Gesicht, das nur ein oder zwei Fingerbreit von ihrem entfernt war. Sie konnte bei dieser Nähe jedoch nur in seine hasserfüllten Augen sehen. Trotz ihrer Angst, die sie schier überwältigte, fielen ihr seine unterschiedlichen Augen auf: Eines war deutlich heller als das andere, das so schwarz wie die Nacht zu sein schien. Ihre Verblüffung darüber war jedoch schnell verflogen, da er sie grob mit sich hochzog und sie zu seinem Pferd zerrte. Vom Sattel löste er ein langes Seil. Dann trug er die zappelnde Frau beide Arme um ihre Mitte geschlungen zu einem Baum, der ganz allein, auf weiter Flur, unweit von ihrem Lager stand. Elea spürte, wie ihre Angst langsam von einem ganz anderen, immer stärker werdenden Gefühl vertrieben wurde. „Da könnt ihr warten, bis Ihr schwarz werdet! Ich werde mich niemals eurem Willen beugen. Lieber wär’ ich tot! Aber mich töten, das traut ihr Euch ja nicht. Dann müsstet Ihr vor Euren König mit leeren Händen treten“, fauchte sie ihn höhnisch an. Maél öffnete mit fahrigen Bewegungen die fünf Schnallen ihrer Lederjacke und riss sie ihr brutal vom Körper. Elea schlug mit ihren Händen um sich, die für einen kurzen Moment frei waren. Ihre Schläge machten ihm jedoch nichts aus. Mit beiden Händen griff er in den Ausschnitt ihres Hemdes und riss es einfach auseinander, sodass die Knöpfe in alle Richtungen wegschossen. Alles ging so schnell. Mit einem Mal stand sie in ihrem dünnen Hemd mit den schmalen Trägern vor ihm. Kalte Nässe lief ihr nur ein paar Wimpernschläge später Arme, Brust und Rücken hinunter. Dann warf er das Seil über einen Ast des kaum noch belaubten Baumes und fesselte mit dem einen Ende Eleas Hände über ihrem Kopf. An dem anderen Ende zog er solange, bis sie gerade noch mit den Zehen den Boden berührte, und befestigte es an dem Baumstamm. Elea schäumte vor Wut. „Und übrigens muss ich Euch leider mitteilen, dass ihr einen Teil Eures Auftrages nicht erfüllen könnt.“ Bei diesen Worten hielt Maél, der sich bereits umgedreht hatte, um zum Lager zurückzugehen, alarmiert inne, ohne sich jedoch ihr zuzuwenden. „Meine Unberührtheit, die für Euch ja von so großem Interesse ist, habe ich an Kellen verloren. Ich habe mit ihm das Bett geteilt, ohne dass es seine Eltern wussten – und dies mehr als einmal.“ Elea konnte nicht anders. Sie musste lügen. Denn sie wollte diesem abscheulichen Mann um jeden Preis einen Stich versetzen.
Fünf oder sechs Atemzüge später erst drehte er sich betont langsam zu ihr um und kam auf sie zu wie eine sich an seine Beute heranschleichende Raubkatze. Er blieb erst stehen, als sein vom Regen tropfnasser Oberkörper ihre Brust berührte. Plötzlich schoss sein Arm
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