Die Traene des Drachen
gescharrt haben, ist es mir eiskalt den Rücken hinuntergelaufen.“
„ Jadora, ich bin weder dumm noch blind. Glaubst du etwa, dass mir das nicht auch schon aufgefallen ist. Ich gehe sogar so weit zu glauben, dass sie die Vögel herbeigerufen hat, um uns abzulenken, damit sie mich töten kann.“
„ Nichtsdestotrotz sind aber ihr Verhalten und ihre Mordgedanken nur verständlich, in Anbetracht der Tatsache, dass du ihren Bruder, Freund, Geliebten oder was auch immer getötet hast. Meinst du nicht?“
„ Ich habe ihn gar nicht getötet. Ich habe ihm nur eine harmlose Fleischwunde beigebracht.“ Jadora war über diese Nachricht im ersten Moment sprachlos. Vor Verblüffung hatte er Mühe, seine Spucke hinunterzuschlucken. „Du hast den Jungen nicht getötet!? Was ist los mit dir? Hast du etwa doch ein Herz aus Fleisch und Blut, und nicht aus Eis?“
„ Verschon mich mit deinem Sarkasmus, Jadora!“, blaffte Maél den Mann an. „Du musst es ihr sagen. Sie wird nicht aufgeben, dich zu töten, falls sie deine unmenschliche Bestrafung überhaupt überleben sollte. Das Mädchen hat einen eisernen Willen.“
„ Du magst es eisernen Willen nennen. Ich nenne es Widerspenstigkeit und Respektlosigkeit“, konterte Maél. „Na und. Machen diese Eigenschaften eine Frau nicht erst interessant oder sogar begehrenswert?“, hakte Jadora hartnäckig nach. Maél erwiderte nichts darauf. Er warf einen flüchtigen Blick zu Elea hinüber, die immer noch ihren Kopf aufrecht hielt. Nachdem die beiden Männer eine Weile geschwiegen hatten, grübelte Jadora laut vor sich hin. „Was hat Roghan nur mit ihr vor?“
„ Oder Darrach?“ gab Maél im Flüsterton zu bedenken. „Na ja, egal, was die beiden mit ihr vorhaben. Wichtig ist jetzt erst einmal das Mädchen. Und überhaupt, wenn du sie zu Tode gequält hast, werden wir nie herausbekommen, was es mit ihr auf sich hat. Los! Gib dir einen Ruck und schneide sie los!“, forderte Jadora ihn in versöhnlichem Ton auf. „Nein, noch nicht“, erwiderte Maél barsch ohne ein Wort der Widerrede duldend. Jadora schüttelte missbilligend den Kopf und untermalte das ganze mit einem Knurren.
Es dauerte nicht mehr lange, bis das Kaninchenfleisch gar war, und sich die sechs Krieger über das Abendmahl genussvoll schmatzend hermachten. Sie waren viel ausgelassener als am Abend zuvor. Nur Maél und Jadora nagten stumm und lustlos auf ihren Keulen herum. Der Hauptmann schaute immer wieder mit ernster Miene zu Elea hinüber, deren Kopf inzwischen, wie bewusstlos, nach vorne gekippt war. Es hatte inzwischen zwar aufgehört zu regnen, aber ein kalter Nordwestwind war aufgekommen, der die Männer in ihren klammen Kleidern frösteln ließ. Deshalb wickelten sich die sechs gut gelaunten Krieger gleich nach dem Essen in der Nähe des wärmenden Feuers in ihre Schlaffelle ein. Ihr Schnarchen ließ nicht lange auf sich warten. Maél und Jadora blieben am Feuer sitzen und schwiegen sich weiterhin gegenseitig an. Der Hauptmann erhob sich gelegentlich um Holz nachzulegen. Nach einer ganzen Weile, Mitternacht war bereits überschritten, hielt Jadora es nicht mehr aus. „Ich schneide sie jetzt los. Du wirst mich schon töten müssen, um mich davon abzuhalten.“ Maél reagierte nicht. Dies war für Jadora ein Zeichen der Zustimmung. Er sprang eilig auf und eilte zu dem Baum, von dem das Mädchen schlaff herunterhing. Nach wenigen Augenblicken war er wieder beim Feuer und hielt die bewusstlose Frau in den Armen. „Ich wusste es. Sie ist ohne Bewusstsein und ihr Körper fühlt sich an wie ein Eiszapfen“, zischte er Maél anklagend an, während er Elea auf sein Fell ablegte. „Wir müssen sie von ihren nassen Kleidern befreien und sie irgendwie wärmen. Hilf mir!“
„ Dass wir sie entkleidet haben, wird ihr nicht gefallen, wenn sie erwacht“, sagte Maél zögernd. „Seit wann machst du dir darüber Gedanken, was ihr gefällt und was nicht? Halte du sie fest, ich werde ihr die Hose ausziehen.“ Etwas Unverständliches vor sich hin brummend befolgte Maél die Anweisung des Hauptmannes und hielt Eleas Oberkörper an den Achseln fest. Jadora zog ihr erst die Stiefel und Strümpfe aus, bevor er mit großer Anstrengung, die vom Regen aufgequollene und am Körper wie eine zweite Haut klebende Lederhose Stück für Stück herunterzog. Der jüngere Mann beobachtete genau jeden seiner Handgriffe. Die Dunkelheit der Nacht vermochte es nicht, jedes auch noch so kleine Detail ihres Körpers vor seinen
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