Die Tränen der Henkerin
brachte, dass seine Gemahlin nicht die war, für die sie sich ausgab, würde dieser seinen Fehler endlich einsehen und reumütig nach Hause zurückkehren. Und er würde in ihm einen großmütigen Vater vorfinden, der den verlorenen Sohn verzeihend in die Arme schloss.
***
Othilia strich von Säckingen über die Brust. Das musste man diesem Ritter lassen. Im Bett war er ebenso ausdauernd wie im Feld – und jederzeit bereit, die Wünsche seiner Herrin zu befolgen, die er inzwischen bereits erraten konnte, bevor sie sie aussprach. Was ihm allerdings fehlte, war Ottmars tierische Lust, sein Hang zur Gewalt. Wenn Ottmar sie gewürgt hatte, war der Höhepunkt unvergleichlich gewesen. Von Säckingen war dazu nicht in der Lage, und selbst wenn sie ihm befahl, sie zu schlagen, war seine Prügel halbherzig, ja beinahe sanft. Vielleicht sollte sie ihn dazu bringen, sie zu hassen …
Nein, das durfte sie nicht wagen. Othilia hielt inne und rollte sich auf den Rücken. Sie brauchte von Säckingen und musste sicher sein, dass sie ihm vertrauen konnte. Zumindest so weit, wie man einem Ritter seines Standes trauen konnte. Er war in Ottmars Gefolge der Einzige, der überhaupt dazu taugte, ihre rechte Hand zu sein, mit Ausnahme von Leopold von Steyer vielleicht, einem klugen und ihr absolut ergebenen Mann, der jedoch abstoßend hässlich war und daher als Bettgenosse nicht infrage kam. Alle anderen waren grässliche Barbaren – grob und ungebildet und völlig untauglich, sowohl für den Dienst innerhalb ihrer Schlafkammer als auch außerhalb. Also musste sie dafür sorgen, dass von Säckingen gesund und munter und bei Laune blieb. Sie schnitt eine Grimasse und stieß ihm mit dem Finger in die Seite.
Er zuckte zusammen und fuhr hoch. »Othilia!«, rief er mürrisch. »Ihr habt mich zu Tode erschreckt.«
Wer hätte gedacht, dass der eisenharte Ritter an den Rippen kitzelig war wie ein Mädchen? Othilia lachte. »Da seht Ihr es: Kein Schwert, aber der zarte, zerbrechliche Finger eines schwachen Weibes vermag Euch zu Fall zu bringen.«
Von Säckingen stöhnte und sprang aus dem Bett. »Ihr wisst, Herrin, dass ich heute zu einer Reise aufbrechen muss. Nach Wendlingen, wo mich wichtige Geschäfte erwarten. Ich muss mich sputen. Verzeiht.«
Othilia spitzte die Lippen. »Wirklich sehr bedauerlich, mein Lieber. Gerade für den heutigen Morgen hatte ich mir ein ganz besonderes Vergnügen für Euch ausgedacht.« Sie schob die Decke beiseite und räkelte sich.
»Ich bin untröstlich, Herrin, doch die Geschäfte dulden keinen Aufschub.« Von Säckingen warf ihr einen kurzen Blick zu, griff nach seiner Cotte und streifte sie über.
Othilia betrachtete ihn, genoss das Spiel seiner Muskeln unter der fast haarlosen Haut. »Ach ja? Geschäfte, von denen ich nichts wissen soll?« Sie spreizte die Beine ein wenig und streckte den Rücken durch.
Wieder sah von Säckingen sie an, diesmal länger. Scheinbar ungerührt verschnürte er seine Beinlinge, doch sie bemerkte, dass er heftig schluckte und sein Atem schneller ging.
»Nichts, das Euch etwas anginge, in der Tat«, sagte er.
Othilia kniff die Augen zusammen. »Nur weil Ihr mein Bett teilt, habt Ihr noch lange nicht das Recht, unverschämt zu werden.«
Von Säckingen verbeugte sich und lächelte spöttisch. »Nur weil ich Euer Bett teile, habt Ihr noch lange nicht das Recht, Eure Nase in meine Angelegenheiten zu stecken. Ich denke, wir beide brauchen einander, also gefährdet unseren Bund nicht mit unnötiger Neugier.«
Othilia erhob sich und ging auf den Ritter zu. Was dachte dieser Kerl sich! Einen Wimpernschlag lang war sie versucht, ihm die Leviten zu lesen, doch sie besann sich eines Besseren. Sollte der eitle Geck doch glauben, sie sei auf ihn angewiesen! Wenn er meinte, dass sie nicht in der Lage sei, ein paar Monate ohne einen Mann im Bett zu überleben, dann hatte er sich getäuscht. »Wahr gesprochen«, säuselte sie. »Verzeiht einem Weib, das sich um den besten Ritter sorgt, den es aufzubieten hat.«
Von Säckingen musterte sie einen Moment. Der Zweifel stand ihm ins Gesicht geschrieben, dann aber verneigte er sich erneut. »Ich muss Euch um Verzeihung bitten, Herrin. Ich weiß, Eure Großmut erlaubt es Euch, mir ein kleines Geheimnis zu gönnen, das Euch in keiner Weise betrifft.«
Oh ja, dachte Othilia, und ob mich dieses Geheimnis betrifft! Wie gut, dass du in Liebesdiensten besser bist als im Lügen, mein Lieber! Sonst wäre ich arm dran. Sie neigte den Kopf. Da steckte
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