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Die Tränen der Henkerin

Die Tränen der Henkerin

Titel: Die Tränen der Henkerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Martin
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irgendeine Metze hinter, das war von Säckingen auf hundert Fuß anzusehen, aber was sollte es? Solange er sie nicht vernachlässigte, sollte er seine kleinen Vergnügungen nebenbei haben. Trotzdem würde sie ihm einen Spion hinterherschicken, damit sie wusste, woran sie war. Und er würde für sie einige Geschäfte erledigen müssen. »Ihr seid entlassen, von Säckingen«, sagte sie huldvoll, »doch kann ich nicht zulassen, dass Ihr nutzlos durch die Gegend reitet. Der Kämmerer wird Euch daher Dokumente mitgeben, die Ihr bitte in Wendlingen abliefert.«
    Er stockte kurz, bevor er antwortete. »Sehr wohl, Herrin.« Ohne ein weiteres Wort nahm von Säckingen seine Rüstung und seine Waffen und verließ ihr Gemach, wie er es immer tat: mit dem Rücken zu ihr, ohne sich noch einmal umzudrehen.
    Sie fletschte die Zähne. Wenn Ottmar erst wieder da war, würde von Säckingen ohne Zweifel wieder das Hündchen sein, das mit dem Schwanz wedelte, wenn seine Herrin ihm einen Brocken zuwarf.
    Die Kapelle mit der wunderschönen Marienstatue war Othilias Zuflucht auf der Burg, der einzige Ort, an dem sie sich nicht einsam fühlte. Kein Tag war seit Ottmars Verschwinden vergangen, ohne dass sie eine Kerze angezündet und der Muttergottes zu Füßen gestellt hatte; kein Tag war vergangen, an dem sie nicht vor ihr auf den Knien gelegen und darum gefleht hatte, dass sie den Gatten und Vater ihres Kindes nach Hause geleiten möge.
    Auch heute zündete sie eine Kerze an, betrachtete einen Moment das zitternde Flämmchen, das ebenso leicht verlosch wie das Leben eines Menschen. Behutsam platzierte sie das Licht neben die anderen. Einige brannten noch, andere waren ausgegangen, ein Meer von wächsernen Stummeln breitete sich um die Füße der Muttergottes aus. Othilia raffte ihr Gewand, kniete nieder und fühlte den kühlen rauen Stein an ihrer nackten Haut. Sie ließ die Gebetsschnur durch ihre Hände laufen, ein Geschenk von Ottmar, der sie zwar wegen ihrer Frömmigkeit belächelt hatte, sie aber hatte gewähren lassen. Eine gottesfürchtige Gräfin lenkte den Blick von einem Grafen ab, der in der Gottgläubigkeit seiner Mitmenschen vor allem ein nützliches Instrument zur Unterdrückung sah. Othilia hatte schnell erkannt, dass ihr Gemahl kein frommer Mann war, doch das bekümmerte sie nicht. Im Grunde sah sie es ähnlich wie er: Frömmigkeit war etwas für Alte, Weiber und Ordensbrüder. Männer der Tat leisteten ihren Dienst am Herrn auf andere Weise.
    Als sie das siebte Ave-Maria fast zu Ende gebetet hatte, schlug die Sturmglocke einmal, einen Atemzug später noch einmal, um dann ohne Unterlass mit ihrem grellen Klang allen in der Burg zu verkünden, dass Gefahr im Anzug war.
    Othilia sprang auf die Füße. Beinahe gleichzeitig schwang die Tür der Kapelle auf, und Alexander von Bryell, der Hauptmann der Wache stürzte herein. »Herrin, Ulrichs Banner vor den Toren!«, rief er atemlos. »Was sollen wir tun? Die Zugbrücke heben? Die Schützen in Stellung bringen und das Pech erhitzen?«
    Othilia wusste einen Moment lang nicht, was sie sagen sollte. Das letzte Mal, als sie das Banner des Grafen vor der Burg gesehen hatte, war ihr in schmerzlicher Erinnerung. Ulrich III. hatte Ottmar schwerer Verbrechen angeklagt, ihn wie einen gemeinen Ganoven in Eisen gelegt und mitgenommen. Was konnte der Graf jetzt von ihr wollen? Ulrich war streng, aber gerecht, und sie hatte sich nichts vorzuwerfen. Sie machte keine krummen Geschäfte, hatte weder Mörder gedungen, noch ihre Männer veranlasst, Handelszüge auszurauben. Sie hatte es sich sogar versagt, nach Ottmar suchen zu lassen, zu versuchen, irgendwie mit ihm in Kontakt zu treten, obwohl es ihr unsäglich schwer gefallen war. Sie wusste, dass Ulrich sie überwachen ließ, dass er über jeden ihrer Schritte unterrichtet war. Deshalb hatte sie tunlichst alles vermieden, was danach aussah, als wisse sie, wo ihr Gemahl sich aufhielt. Sie erstarrte. Was war mit ihren Männern? Hatte einer von ihnen auf eigene Faust gehandelt? Von Säckingen vielleicht? Steckte etwa doch nicht einfach eine willige Metze hinter seiner Geheimniskrämerei, sondern mehr? Nein, das konnte nicht sein. So oder so, sie musste Ulrich mit gebührender Ehrerbietung empfangen.
    Das Pech erhitzen? Erst jetzt drangen die Worte ihres Hauptmanns wirklich zu ihr durch. »Seid Ihr von allen guten Geistern verlassen?«, brüllte sie von Bryell an. »Lasst die Zugbrücke gesenkt und die Waffen in der Kammer! Legt Eure Rüstung ab,

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