Die Tränen der Justitia (German Edition)
ihrem Psychoehemann terrorisiert wird!? Das ist doch nicht normal. Ganz abgesehen vom Faktor Nadine. Hoffentlich täusche ich mich und das Ganze geht ohne Probleme über die Bühne.
«Ist das nicht ein friedlicher Abend, Francesco? So sollte es immer sein.»
«Hm.»
6. Kapitel
Der erste Anruf, der am Donnerstagvormittag auf Ferraris Apparat einging, kam von seinem alten Bankfreund. Vielleicht zeichnete sich ja endlich eine Spur ab, irgendein brauchbarer Hinweis! Herbert Stettler sprach mit grosser Hochachtung von den Dopplers. In wirtschaftlich schwierigen Zeiten hätten sie den Römerhof in einer praktisch ausweglosen Situation übernommen und es innerhalb von nur fünf Jahren geschafft, aus der maroden Bude ein florierendes Hotel zu machen und einen Teil der Hypothek abzulösen. Dies bei wachsender Konkurrenz. Wenn nämlich nicht gerade eine der grossen Messen oder ein Event wie das Basel Tattoo oder die Baloise Session stattfand, mussten die Basler Hoteliers für eine fünfzigprozentige Auslastung ihrer Häuser bereits ein Stossgebet zum Himmel schicken.
«Wenn ich die finanzielle Situation anschaue, frage ich mich natürlich schon, wie sie die Bank dazu gebracht haben, ihnen Gelder in dieser Höhe zu geben. Wohlverstanden, ohne Sicherheit! Aber meines Wissens nach arbeitete Doppler für die Konzernleitung. Da drückt man schon einmal ein Auge zu. Ist Julia Doppler eigentlich die Tochter von Jakob Borer?»
«Ja, genau.»
«Vielleicht bürgt er für sie. Wie auch immer, letztlich ist es eine Win-win-Situation. Die Dopplers sind erfolgreich, die Bank kriegt ihr Geld zurück und kann sich über einen zufriedenen, potenten Kunden freuen. Mehr habe ich nicht für dich.»
«Danke, Herbert. Ich schulde dir was. Machs gut und grüss deine Frau von mir.»
«Das richte ich gern aus. Übrigens, nächste Woche bin ich in St. Anton. Du weisst ja, alle Jahre wieder. Ciao Francesco.»
Nadine wartete bereits bei der Garagenausfahrt auf den Kommissär.
«Noch ein Nickerchen gemacht?»
«Mit Herbert Stettler gesprochen. Er fährt in die Ferien, wollte mich aber noch informieren. Julia und Lukas haben den Römerhof im Griff.»
«Wohl eher Julia.»
«Herbert ist voll des Lobes. Er meint, dass es nicht vielen gelungen wäre, so schnell in die Gewinnzone zu kommen.»
«Das ist alles?»
«Zwischen den Zeilen liess er anklingen, dass Julia und Lukas ziemlich hoch gepokert hätten, und er wundert sich ob der grosszügigen Kreditvergabe, um im nächsten Satz anzufügen, dass hier wohl alte Seilschaften spielen.»
«Also nichts Neues. Ich war in der Zwischenzeit auch nicht untätig. Ich habe mich mit diesem Meier unterhalten.»
«Meier? Welcher Meier?»
«Der Psychiater, der Kaltenbach wieder auf die Menschheit losgelassen hat.»
«Ach der.»
«So ein verfluchter Idiot. Arrogant bis zum Abwinken. Seiner Meinung nach stellt Kaltenbach keine Gefahr mehr dar. Er habe sämtliche Tests mit Bravour bestanden. Daher sei es mit beinahe hundertprozentiger Sicherheit auszuschliessen, dass er rückfällig werde.»
«Offenbar hat seine Schwester recht und Kaltenbach zieht vor dem Psychiater wirklich eine Show ab.»
«Was ein guter Psychiater erkennen müsste.»
«Da ist doch noch etwas. Komm, raus damit.»
«Es ist nichts.»
«Wers glaubt.»
«Ich … ich habe dem Kerl meine Meinung gesagt … und ihn gewarnt. Wenn Kaltenbach nochmals jemanden abmurkse, würde ich ihn am Arsch packen.»
«Super! Da war er bestimmt begeistert und hat mit einer Klage gedroht.»
«Er ist ein Spezi von Staatsanwalt Kern.»
«Gratuliere!»
«Was solls. Frau kann nicht immer aufs Maul hocken. So, dann schauen wir jetzt mal, was unser Kandidat Nummer zwei zu unserem Fall meint.»
Franz Heller sass mit seiner neuen Freundin beim Frühstück. Wie lange wohl die Eintracht dauert? Wann wird er ihr überdrüssig und vergiftet sie wie die beiden anderen? Na ja, Beweise fanden sich nur in einem Fall. Der ehemalige Apotheker stellte ihnen Kaffee und Croissants hin. Das Zeug rühre ich nicht an, dachte Ferrari und zuckte leicht zurück. Womöglich hat er Gift hineingemischt. Wie kann Nadine nur diesen Kaffee trinken? Sein besorgter Seitenblick blieb unbeachtet und Ferrari sah sich bereits mit zweihundert Sachen in die Notfallstation rasen, um ihr den Magen auspumpen zu lassen.
«Der Kaffee ist frisch, Herr Kommissär. Und ohne Gift», lachte Heller. «Wir können offen reden. Corinne kennt meine Vergangenheit, sie vertraut mir.»
Vorsichtig nahm
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