Die Tränen der Justitia (German Edition)
religiösen Vereinigung, Frau Kupfer. Ich missbrauchte Toni als meinen verlängerten Arm, nur war mir das damals nicht bewusst. Erst nach seiner Verhaftung sah ich wieder klarer. Ich bin dann sofort ausgetreten, doch Toni nutzte das nichts mehr.»
«Danke für Ihre Offenheit, Frau Kaltenbach. Hier ist meine Visitenkarte. Falls Ihnen noch etwas einfällt, rufen Sie uns bitte an.»
«Der hat mehr als nur eine Schraube locker, und so jemanden lässt man frei herumlaufen. Der gehört in die PUK. Meinst du, dass er mit der Entführung etwas zu tun hat?»
«Eher nicht. Aber wir sollten herausfinden, mit wem er sich trifft.»
«Stephan kann ja im Alten Warteck ein Bier oder zwei trinken.»
«Gute Idee. He … wohin fährst du?»
«Zu dir. Monika will mich sprechen.»
«Sie ist noch gar nicht da. Sie bereitet sich an der Uni auf einen Vortrag vor.»
«Stimmt nicht, Monika ist zu Hause.»
Seltsam. Warum weiss ich nichts davon? Irgendwie komme ich mir manchmal vor wie der letzte Depp vom Dienst. Im Büro informiert mich niemand, dass Julias Tochter entführt wurde und Monika ändert ihr Programm, ohne es mir zu sagen, während Nadine Bescheid weiss.
«Ja, ja, ich weiss, du fühlst dich wieder einmal hintergangen. Gleich spielst du die beleidigte Leberwurst und redest kein Wort mehr mit uns.»
«Hm!»
Anscheinend war der Ehestreit zwischen Viviane und Röbi eskaliert. Gestern konnte es Viviane noch einigermassen verbergen, heute liess sie ihren Tränen freien Lauf. Monika küsste Ferrari und gab ihm sanft zu verstehen, dass sie gern allein wären. Frauen unter sich. Sie zeigte mit einem bezaubernden Lächeln auf den Wintergarten, wo eine Flasche Wein und ein Glas parat standen. Aha, so ist das also. Die servieren mich einfach ab. Der Kommissär öffnete die Tür zum Garten und atmete tief durch. Eigentlich geniesse ich es ja, Zeit für mich zu haben. Nur würde ich gern selbst entscheiden, wann. Diese weibliche Fremdbestimmung, dieses Dirigieren und Organisieren kann ganz schön nervend sein, manchmal auch kränkend. Puma, die schwarze Nachbarskatze, schmiegte sich an seine Beine. Wenigstens jemand, der mich liebt. Ich wüsste zu gern, was die drei aushecken. Die Kombination Monika-Nadine kann ganz schön gefährlich sein. Ein Duo infernale! Puma machte es sich auf einem Stuhl gemütlich und schnurrte genüsslich, als ihr Ferrari über den Kopf streichelte. Ein faszinierendes Tier – elegant, schnell, unabhängig, eigensinnig, neugierig, verspielt und verschmust zugleich. Der Kommissär griff nach der Zeitung und begann zu lesen. Eine Stunde später hörte er die Haustür zuschnappen.
«Du bist noch wach?»
«Sicher.»
«Ich dachte, du schläfst. Nadine und Viviane sind gerade gegangen.»
«Wie geht es Viviane?»
«Heute früh gabs einen Riesenkrach in der Werbeagentur. Robert ist einfach reingeplatzt, hat Viviane gepackt und aus dem Büro gezerrt. Zwei Mitarbeiter konnten ihn dann überwältigen.»
«Dreht der Idiot jetzt vollkommen durch?»
«Viel fehlt nicht mehr. Viviane hat furchtbare Angst. Sie möchte im Moment lieber nicht wegfahren. Das Chalet ihrer Mutter liegt nämlich ziemlich abgelegen. Damit ist das Wochenende im Oberland gelaufen.»
«Sicher besser. Stell dir nur vor, wenn Röbi herausgefunden hätte, wo ihr seid. Ich bin froh, dass du nicht wegfährst.»
«Ich auch, um ehrlich zu sein.»
«Was ist, wenn er ihr in Riehen auflauert?»
«Da wartet er vergeblich. Viviane schläft heute bei Nadine.»
«Gut. Nur, das ist kein Zustand auf Dauer.»
«Viviane hat jetzt endgültig genug, sie will Röbi morgen anzeigen. Und Nadine wird Georg entsprechend vorinformieren.»
«Endlich! Das ist ein Schritt in die richtige Richtung.»
Monika lächelte, nahm die «annabelle» vom Zeitungsstapel und setzte sich zu Ferrari. Wie ich das geniesse, die traute Zweisamkeit bei Wein und guter Lektüre. Was beunruhigt mich bloss?, dachte der Kommissär. Misstrauisch schielte er zu Monika. Hm. Es läuft doch alles in geordneten Bahnen. Morgen macht Viviane ihre Anzeige, der Richter wird daraufhin Röbi verbieten, sich ihr zu nähern. Falls er diese Auflage nicht erfüllt, holen ihn Georgs Leute. Ein absolut korrekter Ablauf, ganz im Sinne des Gesetzes. Aber irgendetwas gefällt mir trotzdem nicht. Monika gibt sich eine Spur zu gelassen. Engelsgleich sitzt sie neben mir, liest einen Artikel nach dem anderen, schmunzelt von Zeit zu Zeit und nippt genüsslich an ihrem Glas, obwohl eine ihrer besten Freundinnen von
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