Die Tränen der Maori-Göttin - Lark, S: Tränen der Maori-Göttin
finden?«
Roberta biss erneut auf ihre Unterlippe. Hier lag eindeutig der Schwachpunkt ihres Plans.
»Ich muss ihn gar nicht finden«, sagte sie leise. »Ich … ich will ihm nur nahe sein. Und wer weiß …«
Atamarie griff sich an die Stirn. »Jetzt kommt gleich wieder die Sache mit dem Geschenk der Götter«, spottete sie.
Roberta zuckte die Schultern. »Du glaubst doch auch dran«, bemerkte sie dann. »Also warum helfen wir den Göttern nicht ein bisschen auf die Sprünge?«
Roberta reiste schließlich mit gewaltigen Gepäckmengen, nachdem sie eine anstrengende Woche hinter sich hatte. Der Reverend hatte es doch noch geschafft, seine Gemeinde zu einer Spendenaktion zu mobilisieren, und kaufte Milchpulver und Medikamente, die allein eine große Kiste füllten. Violet hielt einen flammenden Vortrag vor der Ortsgruppe der Women’s Christian Temperance Union, die daraufhin Kleider, Windeln und Spielzeug für die Kinder in den Lagern sammelte. Sean sprach seine Klienten an und Kathleen die Dunloes, die in Dunedin schließlich Gott und die Welt kannten und beste Verbindungen hatten. Von ihnen kamen vor allem Geldspenden.Dabei war die Einstellung der meisten Neuseeländer zu Hilfslieferungen für die Buren ambivalent. Neuseeland unterstützte England zwar immer noch mit ganzem Herzen im Burenkrieg, und kritische Stimmen gegen die Kämpfe wurden nach wie vor ungern gehört, für Frauen und Kinder fand sich aber leicht Unterstützung – zumal eine junge, sympathische Bürgerin von Dunedin persönlich dafür eintrat. Roberta musste also mit zu Spendenaufrufen und Wohltätigkeitsdinners. Sie war völlig erschöpft, als Atamarie sie schließlich zum Schiff begleitete. Der Dampfer Beauty of the Sea lag leuchtend weiß und einladend im tiefblauen Wasser des Dunediner Naturhafens. Atamarie wäre am liebsten mitgefahren.
»Reden halten und all das liegt mir einfach nicht«, berichtete Roberta von ihrem letzten Auftritt am Abend zuvor. Heather und Chloé hatten einen Empfang in ihrer Galerie gegeben und zugunsten der Burenfamilien zwei Bilder versteigert. »Das strengt mich mehr an, als sechs Stunden zu unterrichten.«
Atamarie seufzte, dann lachte sie. »Also früher wollten wir mal Premierministerinnen werden. Da hättest du noch viel mehr reden müssen. Dieses Lehramtsstudium hat dich einfach für die Welt verdorben. Da liefen alle rum, als gingen sie zur Beerdigung, und reden durfte man wahrscheinlich auch nur, wenn man vorher den Arm hob. Du musst mal wieder lauter werden!« Roberta errötete. Für die Auftritte vor den Wohltätigkeitskomitees war sie prompt wieder in ihre Lehrerinnenuniform geschlüpft, und tatsächlich hatte sie am Rednerpult kaum ein Wort herausgebracht. Atamarie musterte ihre Reisegarderobe mehr als kritisch. »In dem Aufzug wird Kevin dich jedenfalls nie bemerken«, tadelte sie und schaffte es mühelos, gleichzeitig drei Kofferträger mit all den Spenden zum Kai zu dirigieren. Die Arbeiter sahen die junge Frau an, als sei ihr Anblick schon Trinkgeld genug. Roberta beobachtete ihre Freundin fast neidisch. Atamarie hätte vor Hunderten von Zuhörern hemmungslos die Stimme erhoben, aber der Mann, den sie liebte, beachtete sie auch nicht! Roberta schämte sich, weil der letzte Gedanke ihr Trost bot. »Jetzt reist du jedenfalls nach Afrika!«, redete Atamarie inzwischen weiter. »Wetten, dass die Afrikaner nicht so steif sind wie die Church of Scotland? Ich stell mir die Schwarzen eher vor wie die Maori. Bestimmt mögen sie bunte Kleider und lachen und tanzen gern!«
Atamarie ließ ihr blondes Haar im Wind fliegen. In den Ferien sah sie keine Notwendigkeit dafür, es in einen strengen Knoten zu zwingen. In ihrem rot-grün gemusterten Sommerkleid sah sie aus wie eine bunte Blüte.
Roberta schüttelte den Kopf. »Atamie, nach dem, was ich über diese Buren gehört habe … verglichen mit denen ist die Church of Scotland ein Karnevalsverein! Und mit Schwarzen werde ich gar nichts zu tun haben. Miss Hobhouse berichtet nur von Weißen in den Lagern …«
Die jungen Frauen hatten die Gangway zum Schiff jetzt erreicht und sahen zu, wie das Gepäck an Bord gebracht wurde. Roberta wollte sich hier mit Sean und Violet treffen – die beiden holten noch weitere Spenden in der Stadt ab, hatten aber versichert, pünktlich da zu sein, um ihre Tochter zu verabschieden.
Atamarie wunderte sich. Sie wusste nicht viel über den Burenkrieg, die kritischen Bemerkungen des Reverends und Violets waren stets eher
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