Die Tränen der Maori-Göttin - Lark, S: Tränen der Maori-Göttin
an ihr vorbeigerauscht, und am Canterbury College interessierte man sich bestenfalls dafür, wie die eingesetzten Waffen funktionierten. Beim Stichwort Afrika dachte Atamarie an wilde Tiere und schwarze Menschen. Und es musste dort auch welche geben! Atamarie erinnerte sich dunkel daran, dass der Krieg zumindest offiziell auch geführt wurde, um ihnen ein besseres Leben zu ermöglichen.
»Und wo sind die ganzen Neger?«, fragte sie schließlich. »Die Diener oder Sklaven von den Weißen? Die haben dochauch auf den Farmen gewohnt, die jetzt niedergebrannt wurden? Sind sie weggelaufen? Na ja, egal, du wirst mir ja schreiben. Aber nicht so nichtssagende Briefe, bitte! Erzähl mir alles! Und ich drücke dir natürlich die Daumen, dass du Kevin findest. Schon, damit du begreifst, dass …«
Roberta hob die Hand und unterbrach damit energisch Atamaries erneute Vorhaltungen.
»Vielleicht kümmerst du dich erst mal um deine eigene große Liebe«, sagte sie streng. »Da mag es auch Dinge geben, die du dir nicht eingestehst. Atamarie, Kevin mag mich vielleicht nicht wollen, aber er kann ja auch nicht … also weil … er ist ja schon ziemlich weit weg, und es ist lange her, und Juliet …« Roberta verhaspelte sich. Atamarie griff sich an die Stirn und seufzte theatralisch. Roberta schluckte und spielte mit dem Stoffpferdchen, das sie immer bei sich trug, seit Kevin es damals für sie gewonnen hatte. »Aber dein Richard«, fuhr sie dann ernsthaft fort, »der wohnt keine hundert Meilen von Christchurch entfernt. Und bemerkt hat er dich auch. Du hast doch angeblich stundenlang mit ihm geredet und sogar seine Hand gehalten und ihn geküsst. Wenn er dich jetzt nie besucht, dann …«
Atamarie wollte etwas erwidern, aber dann sahen die jungen Frauen den Wagen mit Violet und Sean kommen und beendeten ihre Unterhaltung sofort. Robertas Eltern hätten ihre Tochter zweifellos für verrückt erklärt, wenn sie auch nur ansatzweise etwas von der Sache mit Kevin gewusst hätten …
Nun lud Sean eine weitere Seekiste voller Sachspenden aus, und Roberta nahm tränenreich Abschied von ihrer Mutter. Danach umarmte sie ihren Stiefvater und schließlich Atamarie.
»Ich schreibe bestimmt, Atamie! Jeden Tag!«, versicherte sie. »Und sei nicht böse …«
Atamarie lachte und drückte die Freundin an sich. »Jeden Tag wäre vielleicht ein bisschen anstrengend«, sagte sie herzlich.»Jede Woche reicht völlig. Und ich bin natürlich nicht böse. Es ist genauso, wie du sagst: Es muss was geschehen in der Sache mit Richard und mir …«
Atamarie plante bereits ihre Reise nach Timaru, während sie dem ablegenden Schiff nachsah und Roberta hinterherwinkte.
Ihre Freundin hatte völlig Recht: Zwischen ihr und Richard lagen keine Tausende von Seemeilen. Und sie war mindestens so mutig wie Roberta. Wenn die ihrem Kevin bis nach Südafrika folgte, konnte Atamarie auch auf alle Konventionen pfeifen und Richard besuchen. Sie würde sich Richards Farm einmal ansehen. Wenn sie dann mit ihm allein war, zeigte sich bestimmt, ob er sie noch liebte.
KAPITEL 5
»Miss VanStout, Doortje, ich kann Ihnen nur immer wieder versichern, wie leid es mir tut und wie sehr ich die Taten meiner … Himmel, es waren ja nicht mal meine Landsleute!« Kevin rieb sich die Stirn. Seit Tagen versuchte er, auf Doortje VanStout einzuwirken, aber sie weigerte sich, ihn auch nur anzusehen. »Jedenfalls bedaure ich zutiefst, was Ihnen und Ihrer Schwester angetan wurde …« Johanna VanStouts Reaktion auf jedwede Ansprache war noch frustrierender. Das Mädchen schien die Worte der Ärzte gar nicht zu hören. »Wir würden die Sache auch gern zur Anzeige bringen, aber dazu müssten Sie eine Aussage machen. Beschreiben Sie die Leute, nennen Sie Namen und Dienstgrade, falls Sie etwas mitbekommen haben. Bitte sprechen Sie mit uns, Miss VanStout!«
Kevin schluckte. »Doortje, sprechen Sie mit mir!«
Doortje VanStout beachtete Kevin nicht. Sie packte langsam ihre wenigen Sachen zusammen, Dr. Greenway hatte ihre Entlassung aus dem Lagerhospital verfügt. Auch Johanna konnte gehen, bewegte sich allerdings wie eine Schlafwandlerin.
»Ich denke, es ist besser, die beiden kommen zu ihrer Familie, statt hier weiter Trübsal zu blasen«, meinte der Arzt. »Vielleicht kann man ihnen ja ein Einzelzelt zuweisen.«
Letzteres klang allerdings resigniert, Greenway wusste schließlich genauso gut wie Kevin, wie es um die Belegung des Lagers stand: Karenstad war hoffnungslos
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