Die Tränen der Maori-Göttin - Lark, S: Tränen der Maori-Göttin
argumentiert ganz richtig, dass es des Britischen Empire nicht würdig ist, einen Krieg gegen Frauen und Kinder zu führen.«
»Ist das denn so schlimm mit den Lagern?«, fragte Atamarie und trank einen weiteren Schluck Champagner. Sie musste Robertas Ankündigung erst mal verdauen. Wobei sie keine Sekunde lang an rein altruistische Gründe für ihre Entscheidung glaubte. Bisher hatte sich Roberta jedenfalls nie überFlüchtlingslager in Südafrika aufgeregt. »Ich hab gehört, sie müssen in Zelten wohnen. Aber das …«
»Es ist kein Campingurlaub, Atamarie, auch wenn die Heeresleitung es gern so darstellt«, sagte der Reverend streng. »Diese Frauen und Kinder verhungern, sterben an Infektionskrankheiten … Miss Hobhouse hat Recht, die Lager sind eine Schande für England!«
»Aber nun soll sich ja was ändern«, riss Roberta das Wort ungewohnt entschlossen an sich. Normalerweise hätte sie es nicht gewagt, den Reverend zu unterbrechen. Es war ihr zweifellos wichtig, ihre Mission darzustellen. »Emily Hobhouse hat Geld gesammelt. Und der Fund for South African Women and Children sendet Krankenschwestern und Lehrerinnen in die Lager. Dazu natürlich Lebensmittel und Medizin und all das. Ich fahre gleich nächste Woche – von Dunedin aus mit der Beauty of the Sea .«
»Das ist hoffentlich kein Truppentransporter?«, fragte Heather und nahm sich eins der Appetithäppchen, die Violet zuvor auf den Tisch gestellt hatte.
Heather war hungrig, und Robertas Eröffnung beeindruckte sie nicht sehr. Die Künstlerin war in jüngeren Jahren selbst weit gereist.
Roberta schüttelte den Kopf. »Nein, das ist ein ganz normales Passagierschiff. Wir sind ja auch nicht so viele. Nur zwei Krankenschwestern und ich. Dann kommen noch ein paar von der Nordinsel, aber die meisten wohl aus England.«
Violet nickte, sichtlich hin und her gerissen zwischen Stolz auf ihre Tochter, aber auch Enttäuschung darüber, jetzt erst in ihre Pläne eingeweiht zu werden.
»Und warum hast du niemandem etwas davon gesagt?«, fragte sie streng. »Versteh mich richtig, ich habe nichts dagegen. Im Gegenteil, aber wir …«
»Wir hätten noch Spenden sammeln können«, meinte derReverend. »Geld- und Sachspenden, die Leute sind immer großzügiger, wenn jemand sich persönlich für eine Sache engagiert.«
Roberta biss sich auf die Unterlippe. »Ich … ich hab mich ziemlich spät entschlossen …«
Atamarie sah ihr an, dass sie schwindelte. Wahrscheinlich trug sich Roberta schon seit Wochen, wenn nicht Monaten mit dem Gedanken, irgendwie nach Südafrika zu kommen. Miss Hobhouse’ Initiative war kaum der Auslöser für diese Idee gewesen …
Atamarie stürzte sich auf Roberta, kaum dass der Nachtisch verspeist war und die Gäste sich zum Rauchen, mit Kaffeetassen oder mit Likörgläsern in Seans und Violets großer Wohnung verteilten. Sie zog die Freundin in Robertas Zimmer, wo sie sicher ungestört waren.
»Gib es zu, es geht um Kevin Drury!«, begann sie die Unterredung. »Und du hast nichts gesagt, damit ich es dir nicht noch ausrede!«
Roberta war inzwischen wieder gelassener geworden und hatte eben ganz ruhig über ihren geplanten Einsatz am Kap geplaudert. Jetzt aber schoss ihr erneut das Blut ins Gesicht.
»Das stimmt nicht!«, behauptete sie. »Es ist nur … die Zustände sind da wirklich schrecklich. Ich möchte helfen … und was von der Welt sehen …«
Vorerst senkte sie jedoch den Blick, in dem keine Spur von Abenteuerlust zu erkennen war.
Atamarie verdrehte denn auch die Augen. »Sicher«, spottete sie. »Du bist total verrückt nach Löwen und Nashörnern. Wolltest immer schon mal einen Elefanten reiten … Gib dir keine Mühe, Robbie! Du bist weder mutig noch naturverbunden. Du bist nur verliebt. Aber wie kannst du immer noch in ihn verliebt sein?«
Roberta blitzte sie an. »Du bist doch auch noch verliebt!«, behauptete sie. »In deinen Richard. Obwohl du ihn schon wieder zwei Monate lang nicht gesehen hast …«
Atamaries Beziehung zu Richard Pearse entwickelte sich tatsächlich nur schleppend, aber darüber wollte die junge Frau an diesem Abend nicht reden.
»Das ist ganz was anderes!«, beschied sie ihre Freundin. »Richard ist … na ja, er ist langsam. Aber Kevin … Mensch, Robbie, er hat dich nie bemerkt! Er erinnert sich wahrscheinlich kaum noch an dich. Und überhaupt: Südafrika ist ein Riesenland! Du wirst in einem dieser Lager arbeiten, Kevin ist Stabsarzt beim Militär. Wie willst du ihn
Weitere Kostenlose Bücher