Die Tränen der Maori-Göttin - Lark, S: Tränen der Maori-Göttin
alt sein.
Atamaries Aufnahme in die Gruppe der Frauen gestaltete sich insofern eher frostig. Die Matronen ließen die Blicke missbilligend über ihr offenes Haar und das weite Kleid schweifen, die jüngeren Frauen beobachteten sie geringschätzig, und die Mädchen gafften sie ganz offen an. Atamarie tat, als bemerke sie das nicht. Sie sprach mit Joan Peterson und Richards Mutter – beide waren freundlich, aber kurz angebunden.
»Dann suche ich mal Richard«, murmelte Atamarie, um einen Grund zu haben, sich zu entfernen, stellte aber gleich fest, dass sie damit auch wieder falschlag.
Zumindest bis zum offiziellen Beginn des Tanzes standen hier nur Männer mit Männern und Frauen mit Frauen zusammen. Richard unterhielt sich mit Peterson und Hansley und versuchte offensichtlich, die beiden doch noch für die Neuerungen zu begeistern, die er im letzten Jahr ungefragt an Hansleys Heuwender vorgenommen hatte.
»Auf die Dauer wird sich in der Landwirtschaft sowieso alles ändern!«, meinte er gerade, als Atamarie zu ihnen stieß. Für die Frauen gab es nur Teepunsch, aber die Männer tranken Bier, und Richard schien das erste Glas auf nüchternen Magen gleich zu Kopf zu steigen. Oder waren es Atamaries eben geäußerte Träume von der Reise zu den Sternen, die ihm Mut machten, eigene Utopien zu entwickeln? »Es wird viel mehr mit Maschinenkraft gearbeitet werden«, fuhr er fort. »Auch das Zugtier hat sich überlebt. In ein paar Jahrzehnten wird eskeine Pferde und Maultiere mehr auf den Feldern geben, dann ziehen Kraftfahrzeuge die Pflüge, oder es gibt gleich motorgetriebene Pflüge und Mäh- und Dreschmaschinen.«
Richards Augen leuchteten auf, als er daran dachte. Die anderen Farmer lachten dagegen lauthals.
»Die scheuen dann auch nicht vor abhebenden und landenden Flugmaschinen!«, höhnte Peterson. »Was wichtig ist, denn davon werden wir dann ja wohl alle eine haben. Träum weiter, Cranky!«
»Also, ich halte es durchaus für möglich, dass irgendwann jeder Haushalt einen Flugapparat hat«, kam Atamarie ihrem Freund zu Hilfe. Wider besseres Wissen, sie wusste, dass sie sich mit diesen Ansichten nur lächerlich machte. »Gerade hier, auf den abgelegenen Farmen. In Städten wird sich wohl eher das Automobil durchsetzen.«
Die Männer lachten noch lauter.
»Und unsere Mädels werden damit fliegen!«, kicherte Hansley. »Ich seh meine Laura schon abheben, um zum Kaufmann zu flattern.«
»Wie ein Kolibri!«, fügte Peterson hinzu und klopfte sich auf die Schenkel. Auch ihm stieg wohl das Bier zu Kopf. »Das bunte Kleidchen dazu tragen Sie ja schon, Miss Turei. Fragt sich, ob auf Dauer auch der Nektar für Sie fließt auf der Farm der Pearses.«
Atamarie verstand nicht, was die anderen Männer daran so witzig fanden, dass sie erneut gröhlend auflachten. Richard schien eher verärgert und peinlich berührt.
»Wir hätten nicht herkommen sollen. Wir gehören nicht dazu«, meinte er, als er Atamarie anschließend zum Buffet folgte.
Auf langen Tischen lockten Salatschüsseln und Kuchen, von draußen drang der Duft gegrillten Fleisches herüber. Atamarie füllte den Teller für ihren Freund. Richard musste dringendetwas essen, bevor er unter dem Einfluss des Alkohols weitere Träume enthüllte.
»Die Leute sind bloß engstirnig«, kommentierte sie dann schulterzuckend. »In Christchurch und Dunedin diskutiert man solche Themen mit sehr viel mehr Ernst. Inzwischen sieht man dort ja sogar hier und da Automobile – und sie werden auf Dauer das Stadtbild verändern, wenn mal nicht die ganze Welt. Und danach kommen die Flugapparate, ob die dummen Bauern das einsehen oder nicht.«
Richard zuckte die Schultern. »Die ›dummen Bauern‹ sind bloß leider meine Nachbarn«, meinte er unglücklich, beschäftigte sich dann aber angelegentlich mit der Vertilgung seiner gewaltigen Essensportion. Nach der schweren Arbeit auf dem Feld musste er ausgehungert sein, aber tatsächlich wäre er auch ohne zu essen noch in die Scheune gegangen und hätte an seinem Motor gearbeitet. Sein Hunger nach Wissen war größer als sein Bedürfnis nach Nahrung. In Atamaries Ärger über die engstirnigen Dörfler mischte sich Mitleid – und der Wunsch, Richard mitzunehmen. In Temuka würde er niemals glücklich werden.
Kurz danach wurde allerdings der Tanz eröffnet, und Atamarie vergaß ihre düsteren Gedanken ebenso wie ihre Müdigkeit nach dem langen Tag. Richard hatte keine große Lust zu tanzen, er schwenkte sie nur einmal etwas
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