Die Tränen der Maori-Göttin - Lark, S: Tränen der Maori-Göttin
mit Richards Arbeitspferden etwas angefreundet und ein Stück Brot für die Tiere eingesteckt. Nun wieherten sie ihr gleich entgegen. Aber bevor Atamarie zu ihnen gehen konnte, ergriff jemand von hinten ihren Arm und zog sie herum.
»Ist ja schön, Süße, dass du mit rauswillst. Aber das bespricht man doch vorher. So musst ich dich suchen …«
Verblüfft blickte Atamarie in das Gesicht ihres letzten Tanzpartners. Dann schüttelte sie den Kopf und versuchte, sich aus seinem Griff zu befreien.
»Von ›mit dir rausgehen wollen‹ kann keine Rede sein!«, sagte sie fest. »Ich schnappe nur ein bisschen frische Luft. Allein.«
Der junge Mann lachte. »Ach, komm, Mäuschen, das kannst du mir doch nicht erzählen, dass du hier nicht auf Jed Hansley wartest. Oder Jamie Frizzer?«
Atamarie schüttelte energisch den Kopf, immer noch in der Hoffnung, ein Missverständnis aufzuklären. »Ich …«
»Beide?«, kicherte der Junge. Er war sichtlich betrunken. »Komm, dann kannste mich auch schnell glücklich machen. Wetten, dass ich besser bin als Cranky-Dick?«
Der Junge zog Atamarie an sich und versuchte sie zu küssen. Sein heißer, biergeschwängerter Atem strich über ihr Gesicht. Atamarie ekelte sich. Sie versuchte, ihre Arme zu befreien und ihn abzuwehren, aber das war aussichtslos, ebenso wie der Versuch, nach seinen feuchten, zudringlichen Lippen zu beißen. Die junge Frau war allerdings weit davon entfernt, sich einschüchtern zu lassen. Stattdessen stieg Wut in ihr hoch. Entschlossen hob Atamarie das Knie und stieß es mit voller Wucht zwischen die Beine ihres Möchtegernliebhabers. Der junge Mann brüllte auf und ließ das Mädchen los.
»Du … du … du Miststück! Maori-Schlampe! Erst machsteeinen heiß, und dann …« Er stöhnte und krümmte sich vor Schmerz.
Atamarie lächelte und wandte sich zum Gehen. Zunächst triumphierend und ungerührt, aber dann zitterte sie doch, als sie die Remise wieder betrat und zu Richard hinüberging.
Nicht dass der betrunkene Kerl wirklich gefährlich gewesen wäre, aber Atamarie war beleidigt und fühlte sich beschmutzt. Dazu fragte sie sich, wie die Dorfjungen wohl über sie geredet hatten. Nach der Attacke ihres letzten Tanzpartners sah sie auch die Annäherungsversuche der früheren in einem anderen Licht. Glaubten die jungen Männer, dass sie leicht zu haben sei? Dass sie jedem schenkte, was sie Richard gab? Und dann dieses Schimpfwort! Maori-Schlampe. Atamarie schüttelte sich. Aber natürlich hatte sie längst bemerkt, dass die Farmer in Temuka wenig mit ihren Maori-Nachbarn zu tun haben wollten. Es war auch keiner ihrer Erntehelfer zum Fest eingeladen worden, obwohl mehrere Farmer Männer der Ngai Tahu beschäftigt hatten, nachdem sie sich bei Richard bewährten. Richards Nachbarn wurden Atamarie zunehmend unsympathisch. Engstirnig und rassistisch! Richard musste unbedingt heraus aus dieser Umgebung.
Atamarie stieß ihn an, als er sie nicht sofort bemerkte.
»Ich würde gern fahren«, sagte sie kurz. »Wir hätten nicht herkommen sollen.«
Richard nickte beiläufig – die Gründe für Atamaries Sinneswandel schienen ihn nicht zu interessieren. Als sie seine Farm erreichten, murmelte er etwas Unverständliches und wanderte zur Scheune. Atamarie schirrte die Pferde aus und ging zu Bett. Richard musste ja auch gleich kommen. Aber tatsächlich wartete sie diesmal vergebens. Richard Pearse holte die auf dem Fest verlorene Zeit auf und arbeitete während der restlichen Nacht an seinem Motor.
KAPITEL 8
Roberta hätte nie gedacht, dass sie die Reise nach Südafrika derart genießen würde, aber tatsächlich fiel alle Besorgnis und Müdigkeit von ihr ab, kaum dass der Dampfer Dunedin verlassen hatte. Auf der Überfahrt nach Australien teilte sie die Kabine mit den beiden Krankenschwestern, zwei Freundinnen aus Christchurch. Die blonde, hochgeschossene Jennifer war die bedächtigere von beiden, eine Anhängerin von Wilhelmina Sherriff Bain, die von Beginn an gegen den Krieg demonstriert hatte. Jennifer wollte nun tatsächlich aus rein altruistischen Gründen nach Transvaal, um ihrem Idol und Emily Hobhouse nachzueifern. Daisy, ein kleineres rundliches Mädchen mit schwarzem Haar, aber leuchtend blauen Augen, hatte sich dagegen aus purer Abenteuerlust angeschlossen. Auch sie wollte natürlich helfen, aber nebenbei auch Löwen und Nashörner sehen und wenn’s eben ging, einen Elefanten streicheln.
»Ich wollte dringend raus aus Christchurch«, erzählte sie
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