Die Tränen der Maori-Göttin - Lark, S: Tränen der Maori-Göttin
freimütig. »Aber ohne diesen Krieg wäre das nie was geworden. Ich hatte mich gleich beworben, als sie das erste Kontingent Soldaten schickten, aber da war ich noch in der Schwesternschule, und meine Eltern hätten es auch nicht erlaubt. Aber jetzt bin ich fertig – und es geht ja auch nicht in den Krieg, sondern nur in diese Flüchtlingslager. Da konnten meine Eltern nicht Nein sagen. Wo doch obendrein Jenny mitkommt …« Daisy schien bereit, ihrer Freundin dafür ein Leben lang dankbar zu sein.
Jenny und Daisy waren jünger als Roberta, aber wesentlich aufgeschlossener als ihre Kommilitoninnen am Lehrerseminar. Roberta wunderte das. Nach allem, was sie gehört hatte, bewachten Schwesternschulen ihre Schülerinnen wie ein Nonnenkloster – ganz in der strengen Tradition der Florence Nightingale. Daisy kicherte jedoch nur, als sie das anmerkte.
»Jeder Harem hat seine geheimen Ausgänge«, bemerkte sie gespielt frömmlerisch und richtete einen imaginären Schleier. »Genau wie jedes Kloster.« Daisy faltete die Hände und schlug die Augen wie im Gebet zum Himmel.
Roberta lachte.
»Bei uns stand ein Baum vor dem Fenster«, bemerkte Jenny nüchterner. »Eine nette Südbuche, mit Zweigen, die sich als Leiter nur so anboten. Samstagabends sind wir runtergeklettert und tanzen gegangen.«
»Tanzen?« Roberta hätte nicht einmal gewusst, wo bei ihr Tanzveranstaltungen stattfanden, aber Christchurch war natürlich ein gutes Stück aufgeschlossener als das von den streng religiösen Schotten dominierte Dunedin. »Habt ihr denn … Männer gekannt?«
Daisy quietschte vor Lachen. »Klar! Die Hälfte der Patienten sind Männer!«
»Aber an die jungen haben sie uns natürlich nicht rangelassen«, gab Jenny weiter Auskunft. »Was auch besser war, ich meine, wer will mit einem Mädchen tanzen gehen, das ihm vorher … hm … äh …«
»… den Hintern abgewischt hat«, lachte Daisy und räkelte sich auf ihrer Koje. »Sprich es doch aus!« Dann wandte sie sich an Roberta. »Hattet ihr keine Männer im Lehrerseminar?«
Roberta erzählte von den drei hoffnungslosen Fällen unter ihren Kommilitonen und war nur wenige Tage später vertraut genug mit ihren neuen Freundinnen, um von ihrer Liebe zu Kevin Drury zu berichten.
Sie erwartete ähnlichen Spott wie von Seiten Atamaries und knetete während der Beichte nervös ihr Stoffpferdchen, aber Jenny und Daisy fanden ihre Mission romantisch.
»Oh, da könnte man ja ein Buch drüber schreiben«, seufzte Daisy. »Ein Mädchen, das in den Krieg zieht, um ihren verlorenen Liebsten wiederzufinden. Und dann ist er bestimmt verletzt oder so, und nur du kannst ihn retten, und dann … Wir müssen dir ein bisschen Erste Hilfe beibringen für den Fall der Fälle …«
Jenny tippte sich gegen die Stirn. »Er ist Stabsarzt, Daisy. Der rettet selbst Leute. Und wenn er sich wirklich mal beim Operieren die Hand verstaucht, sind zwanzig andere Ärzte und Schwestern um ihn herum … Aber im Ernst, Robbie, warum denkst du, du könntest diesen Dr. Drury nicht finden? Im Grunde brauchst du doch nur bei der Heeresleitung nachzufragen. Für die ganzen Neuseeländer ist ein Major Robin zuständig. Wir haben dem dauernd irgendwelche Protestnoten geschickt, auch jetzt wegen der Lager. Ich kann die Adresse auswendig, er sitzt in Pretoria. Wenn er dir sagt, wo Dr. Drury stationiert ist, kannst du ihm schreiben.«
Roberta errötete. »Schreiben hätte ich ihm schon lange können. Es ist nur … ich weiß nicht, ob …«
Daisy verdrehte die Augen. »Du reist ihm um die halbe Welt nach, und dann traust du dich nicht, ihm zu begegnen?«
Jenny hatte mehr Verständnis. »Du kannst ja tun, als ob es ein Zufall wäre. Du bist auf den Spuren von Miss Hobhouse ans Kap gekommen – und da fiel dir ein, dass er ja auch … Oder nein: Seine Mutter hat gemeint, du müsstest dringend Kontakt mit ihm aufnehmen! Mütter sind für so was immer gut. Kennst du seine Mutter?«
Auch die Organisation von Miss Hobhouse sammelte ihre Hilfskräfte zunächst in Australien, allerdings nicht im Militärhafen von Albany, sondern in Sydney. Roberta meinte, sich den anderen Lehrerinnen anschließen zu müssen – insgesamt waren es sechs ähnlich blasse und blaustrümpfige Wesen wie ihre Kommilitoninnen in Dunedin. Aber Jenny und Daisy schleppten sie mit, und so konnte sie sich den Naturhafen ansehen und die alten Gefängnisbauten aus der Zeit, als Australien noch eine Strafkolonie gewesen war.
»Botany Bay,
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