Die Tränen der Maori-Göttin - Lark, S: Tränen der Maori-Göttin
wiederholte. Also tröstete sie sich damit, dass zumindest ihr Liebesleben nichts zu wünschen übrig ließ. Richards Begeisterung ließ nicht nach, eher liebte er sie noch wilder und ekstatischer. Wenn er sie küsste, zärtliche Worte flüsterte und sie gemeinsam zum Höhepunkt kamen, fühlte sie sich glücklich, und sie redete sich ein, dass dies auf ihr gesamtes Leben mit Richard zutraf.
Erst als die junge Frau eines Nachmittags Zeit fand, einen Brief an Roberta zu verfassen und nach all ihrer Schwärmerei für Richard auch etwas über ihren Alltag erzählen wollte, wurde ihr klar, wie einsam sie war. Den ganzen Tag gingen Leute auf ihrer Farm ein und aus. Gerade jetzt während der Ernte hatten die Farmer der Waitohi-Ebene viel Kontakt zueinander, sie halfen einander mit Maschinen aus und sprangen auch mal bei der Heuernte eines Nachbarn ein, wenn Regenwolken aufzogen. Zu Atamarie waren sie durchaus freundlich, sie schienen jedoch keine Persönlichkeit in ihr zu sehen, mit der man gern die Zeit verbrachte und kommunizierte, sondern lediglicheine Art Rädchen im Getriebe. Sie sprachen nicht mal über die »wilde Ehe«, in der sie mit Richard lebte – obwohl man darüber zweifellos hinter ihrem Rücken tuschelte. Mitunter bekam sie Bemerkungen mit wie »Aber ihm bekommt’s …« oder »Nicht mehr halb so verdreht wie früher …« und »… sonst ja ein hübsches Mädchen …« Alle schienen erleichtert darüber zu sein, dass Richard Pearse endlich »funktionierte«. Vor allem die Matronen des Ortes durften in ihrer Meinung bestätigt worden sein: Es hatte nur eine Frau gefehlt, um den seltsamen jungen Mann auf den richtigen Weg zu bringen. Auch wenn es eine etwas exotische Frau war, die nicht ganz in das Bild passte, das man von einer guten Ehefrau in dieser Gegend hatte.
Ob es nicht eigentlich Atamarie war, die »funktionierte«, während Richard nur so tat, interessierte niemanden. Nun mochte das für eine pakeha -Frau auf dem Land normal sein, aber Atamarie ärgerte es. Als Maori-Frau erwartete sie, dass man ihre Leistung anerkannte, aber diese Leute leugneten ihr mana!
Atamarie betrachtete ihre Umwelt zunehmend misstrauisch, nachdem sie das einmal begriffen hatte, aber vorerst begehrte sie nicht auf. Mit jedem Tag Plackerei rückte schließlich das Ende der Ernte näher, und dann würde sie wieder mit Richard zusammen, statt neben ihm herarbeiten. Atamarie liebäugelte mit Motor und Gestell des Fliegers. Wenn man die Tragflächen beweglich machte, müsste man das Ding eigentlich noch besser lenken können. Wenn es erst mal flog …
Und dann waren endlich die letzten Felder abgeerntet. Richard entlohnte seine Maori-Erntehelfer – und sogar sein Vater fand ein paar lobende Worte, als er die gefüllten Scheunen und Kornböden inspizierte.
»Und heute Abend wird gefeiert!«, meinte Richards Bruder Warne vergnügt. Warne war noch ein Schuljunge, aber er hatte fleißig bei der Ernte geholfen. »Ab sieben in der Remise vonHansley! Und ihr werdet’s nicht glauben: Ich geh mit Martha Klein!«
Atamarie zwinkerte dem Jungen zu. Sie mochte Warne, er schien einer der wenigen Menschen in Temuka zu sein, der sie vorbehaltlos akzeptierte und mit dem sie herumalbern und lachen konnte. Warne war klug wie wohl alle Kinder der Pearses und noch viel zu jung, um Atamarie und ihr Verhältnis zu Richard als unpassend zu begreifen.
»Dann läuten ja wohl bald Hochzeitsglocken!«, neckte sie den Kleinen. »Sofern du ihr beim Tanzen nicht zu oft auf die Füße trittst!«
Warne kicherte und erklärte mit ernstem Gesicht, er müsse jetzt erst mal Blumen pflücken. Vielleicht auch einen Kranz daraus winden, den Martha sich ins Haar stecken könnte.
»Allerdings kann ich das nicht so gut«, schränkte der Junge ein.
Atamarie griff die Idee, sich Blumen ins Haar zu winden, auf. Sie pflückte ein paar der Mittagsblumen, die am Rand der Straßen wuchsen, und hoffte, dass sie bis zum Abend frisch blieben. Ihr helles Lila passte gut zu dem hübschen, mit Blumen bedruckten Sommerkleid von Lady’s Goldmine, das Atamarie für besondere Gelegenheiten in ihren Rucksack gepackt hatte. Bisher hatte sie es nie getragen, und sie hoffte auf uneingeschränkte Bewunderung, als sie Richard darin gegenübertrat. Sie hatte ihr Haar gewaschen und trug es jetzt offen, nicht geflochten oder aufgesteckt wie sonst. Die goldblonden Locken fielen ihr fast bis zur Hüfte, und der Blütenkranz ließ sie wie eine Fee aussehen. Atamarie war sehr mit
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