Die Tränen der Maori-Göttin - Lark, S: Tränen der Maori-Göttin
Atamarie! Glaub mir, ich bin viel herumgekommen, und ich kannte sehr exzentrische Leute. Aber er … zuerst dachte ich, er sei vielleicht gefühlskalt, aber dann … Von dem Motor scheint er ja regelrecht besessen.«
Atamarie lachte. »Gefühlskalt ist er ganz bestimmt nicht!«, erklärte sie im Brustton der Überzeugung.
Heather zuckte die Achseln. »Aber auch kein großer Liebender im romantischen Sinn. Der Mann ist absonderlich,Atamarie, sei vorsichtig! Auch wenn die größte Gefahr im Moment wohl darin besteht, dass dich die heilige Shirley von hinten erdolcht …«
Atamarie nahm die Bedenken ihrer Tante nicht sonderlich ernst, kehrte am nächsten Tag aber trotzdem mit ihr zurück nach Christchurch.
Im White Hart Hotel trafen sie Chloé, die erst mal von Rosie berichtete. Sie hatte ihren Schützling unter der Obhut Lord Barringtons in Addington gelassen. Barrington, ein britischer Privatier und Schafbaron, der seine Farm in den Plains weitgehend einem tüchtigen Verwalter überließ, während er sich mit ganzem Herzen dem Aufbau des Pferderennsports in Neuseeland widmete, hatte der jungen Frau eine Stelle als Pferdepflegerin in seinem Rennstall angeboten. Hauptsächlich, um Chloé einen Gefallen zu tun. Rosie selbst hätte lieber in einem Trabrennstall angeheuert und dort auch Trotting Diamond untergebracht, aber der Lord winkte besorgt ab.
»Das sind … also entschuldigen Sie, Miss Chloé, ich weiß, Ihr … äh … Gatte war auch Teil dieser neuen … äh … Bewegung. Und es gibt sicher auch seriöse Ställe. Aber die Trainer, die wir hier haben … Der alte Brown geht ja noch, dessen Aktivitäten sind durchaus von einem gewissen Unterhaltungswert …«
John Brown, ein Mietstallbesitzer, hatte die ersten Trabrennen in Woolston bei Canterbury organisiert, nachdem sich der Sport in Europa etabliert hatte. Trabrennen galten in England als eine Art Rennsport des kleinen Mannes. Einfache Leute wetteten eher auf Traber als auf Galopper, und in den ersten Jahren waren es auch die Pferde von Milchlieferanten und Viehhütern gewesen, die in den Trabrennen gegeneinander antraten. In Brown’s Paddock war oft ein buntes Feld gestartet, die Regeln waren unübersichtlich, mitunter kam es zu Schlägereien zwischen Reitern, Zuschauern und Schiedsrichtern. Leuten wie Lord Barrington war dieses Treiben zutiefst zuwider, und der Rennverein hatte den Trabern auch nur höchst ungern seine Rennbahn und die zugehörigen Totalisatoren geöffnet. Aber die Bewegung war nicht aufzuhalten, und spätestens seit die Rennen nicht mehr geritten, sondern von Sulkys gefahren wurden, gestalteten sich die Veranstaltungen auch geordneter und seriöser. Einige Jahre zuvor war die neue Rennbahn in Addington gebaut worden, wo schwerpunktmäßig Trabrennen gefahren wurden, und seit der Zusammenlegung zweier Rennclubs plante man hier auch größere, hochdotierte Veranstaltungen. Allerdings fanden sich immer noch zwielichtige Gestalten unter Pferdebesitzern und Trainern. Und nach Lord Barringtons Ansicht war Addington voll davon.
»Wir hatten dann auch gleich eine sehr unerfreuliche Begegnung«, bemerkte Chloé. »Du erinnerst dich an Joseph Fence, Heather, Violets Sohn?«
Heather zuckte die Schultern, aber Atamarie nickte. Natürlich hatte ihre Freundin Roberta von ihrem Bruder erzählt.Violet hatte ihn in die Lehre bei einem Rennpferdetrainer gegeben, als sie Invercargill mit Roberta verließ.
»Schon damals ein unangenehmes Kind«, führte Chloé aus, »ganz der Vater, auch äußerlich. Ich dachte, mich trifft der Schlag, als ich ihn in Addington auf der Rennbahn sah. Und Rosie wurde weiß wie die Wand, das arme Ding. Dann hat sie sich aber schnell wieder gefangen. Ich denke, sie ist über diese unglückliche Sache mit Eric Fence hinweg.«
Atamarie hörte sich die Überlegung gleichmütig an, während Heather die Augen verdrehte. Rosie hatte Violets ehemaligen Gatten immer gehasst und gefürchtet. Weder Heather noch Chloé wollten Genaueres darüber wissen, aber an Josephs Behauptung, das Mädchen sei an Erics Unfall auf der Rennbahn maßgeblich beteiligt gewesen, war sicher etwas dran.
»Jedenfalls hat dieser Joe Fence in Addington einen Rennstall. Barrington hält ihn für eine Räuberhöhle. Und für Rosie kam es natürlich absolut nicht infrage, da mitzumachen. Ich habe dann ein paar Andeutungen zur Vorgeschichte gemacht – na ja, und jetzt steht Rose’s Trotting Diamond unter Barringtons Vollblütern, und unsere Rosie
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