Die Tränen der Maori-Göttin - Lark, S: Tränen der Maori-Göttin
haben, und der zweite Stich hatte das Herz gefunden.
Roberta sah um sich. Der Platz war verwaist. »Was machen wir jetzt?«, fragte sie.
Vincent sah sie verständnislos an. »Da kann man nichts mehr machen«, meinte er. »Ich sag doch …«
Doortje und Kevin standen reglos da. Keiner von beiden machte Anstalten, irgendetwas zu tun.
Roberta fühlte kurz einen Anflug des alten Schmerzes, als sie Kevin mit der anderen sah. Einen Herzschlag lang meldete sich ein hässlicher Gedanke: Wenn jetzt alles seinen korrekten Gang nähme, würde Kevin Doortje VanStout nie wiedersehen. Oder höchstens bei einer Verhandlung wegen Mordes. Danach würde man sie hängen – und der Weg für Roberta wäre wieder mal frei.
Aber dann rief sie sich zur Ordnung. Sie konnte Doortje keiner aussichtslosen Beziehung opfern. Und Kevin – auch er war bedroht. Roberta Fence erinnerte sich an die Liebe, die sie Kevin immer entgegengebracht hatte. Sie beschloss, den Mann zu retten, der sie niemals bemerkt hatte. Entschlossen stieß sie Vincent an.
»Vincent, sie hat ihn ermordet! Wenn das rauskommt, ist das ihr Todesurteil! Und Kevin … Himmel, er hat ihn für siefestgehalten! Das ist … Beihilfe oder wie man das nennt. Hoffentlich hat es keiner gesehen.«
»Wir haben es gesehen«, murmelte Vincent. »Aber du hast doch gehört. Coltrane hat sie … er war es, der sie vergewaltigt hat. Und seine Leute hat er auf ihre Schwester gehetzt …«
Roberta hob die Hände, als wollte sie ihn schütteln. »Dann hätte sie ihn anzeigen müssen. Aber sie durfte ihn nicht abstechen wie … wie ein Schwein. Wenn wir jetzt nichts tun, wird man sie zur Verantwortung ziehen.«
»Hier, nehmen Decke …« Nandés schüchterne Stimme unterbrach Robertas verzweifelten Versuch, Vincent aus seiner Lethargie zu reißen. »Reintun Mann in Decke. Haus?« Das schwarze Mädchen wies auf das Verwaltungsgebäude.
Roberta nickte erleichtert. Nandé hatte den Mord offenbar auch gesehen, aber sie schien noch in der Lage zu denken. Womöglich konnte sie ihnen helfen. Und sicher konnten sie ihr vertrauen.
»Mach, Vincent! Schnell, bevor jemand kommt«, forderte Roberta den Tierarzt auf, der immer noch wie unter Schock auf den Toten starrte. »Wickel den Kerl in die Decke. Und du hilf ihm, Nandé. Bringt ihn in …«
»In Stall«, regte Nandé an.
In dem Schuppen, in dem sie sich so gern eingerichtet hätte, gab es nichts als ein paar Kehrwerkzeuge und Gerümpel, kein Mensch würde die Leiche dort zufällig finden.
»Und du, Kevin, bring Doortje ins Haus!«
Roberta war die Einzige, die einen klaren Gedanken fassen konnte. Nandés Hilfe gab ihr Kraft. Es musste alles ganz schnell gehen. Jetzt, um die heißeste Zeit des Tages, hielt sich niemand auf dem Platz zwischen den Wirtschaftsgebäuden auf. Die Frauen lagen im Schatten ihrer Zelte, im Hospital kümmerte man sich wahrscheinlich um das Mittagessen. Aber bald würde es mit dieser Ruhe vorbei sein. Dr. Greenway war amMorgen zur Visite ins schwarze Lager geritten, er musste jeden Moment zurückkehren. Und am Nachmittag kamen Leute zur Sprechstunde.
Vincent raffte sich jetzt auf zu handeln. Er wickelte die Leiche in die Decke und warf sie sich beherzt über die Schulter. Der junge Tierarzt war stärker, als Roberta geglaubt hatte, Nandés Hilfe brauchte er nicht. Aber das schwarze Mädchen sah auch schon eine weitere Möglichkeit, sich nützlich zu machen.
»Ich das mache weg …«
Sie wies auf die Blutlache am Boden. Roberta schwirrte der Kopf. Wie entfernte man Blut von einem sandigen Platz?
Roberta nickte Nandé zu. »Sehr gut, Nandé. Sieh zu, was du machen kannst. Und ich gehe ins Hospital und sehe nach, ob es weitere Zeugen gibt. Ich glaube es zwar nicht, die Frauen wären rausgekommen, aber man weiß nie. Gerade bei diesen Burinnen. Im Notfall müssen wir ihnen erklären, was er getan hat. Dann würden sie dichthalten.«
»Dichthalten?«, fragte Kevin benommen.
Roberta stöhnte. »Kevin, fass dich endlich. Es gibt hier nur zwei Möglichkeiten: Entweder wir alle schweigen über das, was hier geschehen ist, oder deine Liebste geht ins Gefängnis und du auch. Also, willst du das? Und jetzt bring sie ins Haus!«
Robertas Inspektion des Krankenhauses fiel zu ihrer Zufriedenheit aus. Niemand befand sich im vorderen Bereich, und der erste Krankensaal war zurzeit auch frei. Antje Vooren, die im zweiten Saal Essen verteilte, fragte nach Doortje.
»Die war seltsam eben. Rannte rein und brachte die
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