Die Tränen der Maori-Göttin - Lark, S: Tränen der Maori-Göttin
also einer wissen muss … Lassen Sie das Pferd mit Overcheck laufen.«
Joe Fence sprach eifrig auf seinen Kunden ein. Der allerdings hatte nur Augen für Rosie … und Roberta.
»Sie können es nicht sein«, sagte er sachlich, aber doch sichtlich bewegt zu der jungen Frau in dem schlichten, aber eleganten Reisekostüm. »Es ist völlig unmöglich, dass Sie Violet Paisley sind, aber Sie … Sie sehen ihr ähnlich wie ein Ei dem anderen …«
Roberta lachte. »Ich bin Roberta Fence, Violets Tochter. Aber meine Mutter sieht auch noch sehr gut aus.« Sie reichte Tibbs die Hand. »Woher kennen Sie meine Mutter? Und Rosie?«
Der rotblonde vierschrötige Mann warf Rosie einen verklärten Blick zu. »Tom Tibbs mein Name«, stellte er sich vor, wobei er wieder ulkig seine Mütze lüftete. »Aber falls Ihre Mutter jemals von mir gesprochen hat … auf dem Schiff nannte man mich Bulldog.«
Roberta hatte Rosie nie so süß und offen lächeln sehen wie jetzt diesem Fremden gegenüber. »Sie haben auf uns aufgepasst«, sagte sie leise. »Ich weiß noch, wie Sie … meinen Dad gebeten haben, die Kabine zu schrubben.«
Bulldog lachte dröhnend. »Also ›gebeten‹ ist ein bisschen der falsche Ausdruck!«, meinte er. »Aber sauber war’s schon, hinterher … Ich kann es nicht glauben, dass ich dich … Sie, entschuldigen Sie, Miss Rosie … Aber ich kann nicht fassen, dass ich Sie gefunden habe. Ich hab Sie nie vergessen, wissen Sie?«
Rosie lächelte wieder. »Ich Sie auch nicht«, sagte sie.
Joe, der sich an den Rand gedrängt fühlte, mischte sich jetzt ein.
»Eine echte Familienzusammenführung hier«, höhnte er. »Hallo, Schwesterchen. Welchem Umstand verdanke ich die Ehre deines Besuchs? Ihr habt euch doch sonst nie um mich gekümmert.«
»Joe!« Roberta blickte zu ihrem Bruder rüber und erblasste. Auch sie hatte Joe seit seiner Kindheit nicht mehr gesehen und war verblüfft über die Ähnlichkeit mit ihrem Vater. »Ich wusste gar nicht, dass du hier bist.«
Das stimmte. Rosie war keine große Briefschreiberin, erst recht nicht, wenn jemand so weit weg war wie Roberta im fernen Afrika. Und Chloé hatte zwar Violet vom Verbleib ihres Sohnes berichtet, aber noch keine Gelegenheit gehabt, das auch Roberta zu erzählen. Es gab spannendere Gesprächsthemen nach ihrer Rückkehr aus Afrika, und Roberta hatte auch kaum Zeit gehabt, Vernissagen und Dinnerpartys zu besuchen. Sie half vorerst in der Schule in Caversham aus, hatte allerdings noch keine feste Anstellung angenommen. Roberta war sich nach wie vor unklar über ihre Beziehung zu Vincent Taylor – und über ihre Pläne. Wenn sie Vincents Liebe erwidern konnte, würde er sie um ihre Hand bitten, das war sicher. Aber dann konnte sie nicht mehr als Lehrerin arbeiten. Roberta war hin und her gerissen, dieses Wochenende in Addington sollte sie einer Entscheidung näherbringen. Und es war unverfänglich, sie besuchte ja offiziell nicht Vincent, sondern ihre Tante Rosie. Wenn es allerdings gut lief … Roberta konnte sich vorstellen, zunächst eine Anstellung in Christchurch anzunehmen. Dann konnte sie Vincent in Ruhe näher kennenlernen. Was die Ehe anging, war Roberta ähnlich geschädigt wie Rosie, auch sie hatte Violets desaströse Beziehung zu ihrem Vater noch gut in Erinnerung. Zwar scheute sie nicht grundsätzlich vor Männern zurück wie ihre Tante, aber am liebsten hätte sie sich mit jemandem verbunden, den sie von Kindheit an kannte. Bei Kevin hätte sie sich sicher gefühlt. Vincent musste sich erst bewähren.
Jetzt schaute er verständnislos lächelnd von einem zum anderen. »Im Ernst, Joe? Roberta ist Ihre Schwester? Sie muss wirklich nicht gewusst haben, dass Sie hier sind, Joseph, sonsthätte sie es mir gesagt. Aber Roberta war auch lange in Südafrika. Sie müssen einander eine Menge zu erzählen haben!«
Beiden Geschwistern war anzusehen, dass ihnen das Leben des jeweils anderen herzlich egal war, aber immerhin hatte Vincent es geschafft, die Lage zu entspannen.
»Und Sie sind mit Robertas Mutter und Rosie aus England gekommen, Mr. …«
»Tom Tibbs!«, wiederholte Bulldog. »Ich kann’s immer noch nicht glauben.«
»Da gibt es sicher ebenfalls viel zu erzählen …«, mutmaßte Vincent, wobei er diesmal eine freundlichere Resonanz erntete. Bulldog nickte eifrig, Rosie mit leichtem Erröten.
»Vielleicht gehen wir alle eine Tasse Kaffee trinken?« Vincent schaute aufmunternd in die Runde.
»Ich kann nicht«, brummte Joe. »Muss
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