Die Tränen der Maori-Göttin - Lark, S: Tränen der Maori-Göttin
Dabei hatte sie dabei zunächst an Base gedacht, das deutsche Wort für Kusine, das sie aus ihrer kurzen Zeit als Magd auf einem deutschen Bauernhof bei Blenheim kannte. Das hätte zu Kevins Bemerkung gepasst, man habe Nandé als Quasifamilienmitglied mitbringen müssen.
Aber daran glaubte Lizzie nicht mehr, spätestens nicht nach dem hässlichen Vorfall mit Haikina und Hemi, die gleich nach Doortjes Ankunft zu Besuch kamen. Michael war bei den Schafen gewesen, Lizzie im Weinberg und Kevin in seiner neuen Praxis. Die Maori hatten also nur Doortje und Nandé im Garten angetroffen. Sie brachten Geschenke des Stammes für die junge Frau, versuchten, ein Gespräch anzufangen – und hörten, dass Nandé Doortje mit Baas ansprach. Nichts Böses ahnend übernahmen sie die Anrede, und Doortje verbesserte sie nicht. Im Gegenteil, als Haikina ein paar Tage später vorbeikam, um bei der Weinlese zu helfen, bestand sie auf der respektvollen Anrede. Lizzie stellte sie daraufhin scharf zur Rede und war entsetzt über ihre Reaktion. Eure Kaffern können euch doch nicht einfach beim Vornamen nennen!, hatte sie geantwortet.
Und wieder einmal wich Doortje keinen Deut von ihren Ansichten ab, als Lizzie ihr die Beziehung zwischen den Drurys und dem Maori-Stamm erklärte – natürlich ohne das Gold zu erwähnen. Kevin war zwar der Ansicht, man könne Doortje bedenkenlos in alles einweihen, obwohl die Buren zur Goldförderung eine ähnliche Einstellung wie die Church of Scotland hatten, die dem »Reichtum ohne vorhergehende Arbeit« höchst skeptisch gegenüberstand. Aber Lizzie und Michael bestanden darauf, die Sache vorerst für sich zu behalten – und Haikina und Hemi sahen es ebenso.
»Sie wird lernen«, sagte Haikina gelassen tröstend zu Kevin. »Bring sie mal mit ins Dorf zu unseren Festen, vielleicht kann sie auch mal ein paar Bücher oder Zeitungen lesen. Überdie Frauen, die das Wahlrecht erstritten haben, und über das Maori-Parlament …«
»Haikina kann dir gern ein paar Bücher leihen«, gab Lizzie ein paar Tage später das Angebot weiter.
Doortje hatte ihr Bücherregal fast so missmutig durchgesehen wie vormals Juliet. Nur dass sie Lizzies Bücher über Weinbau nicht langweilig, sondern moralisch anstößig fand, ebenso wie die Frauenjournale, die Lizzie gelegentlich bezog, und die Juliet verschlungen hatte.
»Die Schwarze kann lesen?«, fragte Doortje entsetzt. »Das ist nicht gottgewollt!«
Lizzie wurde jetzt wenigstens klar, warum Nandé ihren kleinen Schatz an Jugendbüchern, die Lizzie noch von Kevin und Patrick gehortet hatte, so sorglich vor Doortje verbarg.
»Haikina ist Lehrerin. Und sie hat deinem Mann und seinen Geschwistern das Lesen beigebracht!«, beschied Lizzie ihre Schwiegertochter nun wirklich wütend. »Und da es bis zur Schule in Lawrence recht weit ist, wird sie es auch Abe beibringen. Wenn du da nicht selbst Ambitionen hast. Aber ganz sicher lernt er es nicht auf Niederländisch oder Afrikaans und allein aus deiner alten Bibel. Das werde ich zu verhindern wissen!«
Doortje hatte sie daraufhin wütend angestarrt, aber nichts erwidert. Nun war es bis zu Abes Einschulung ja auch noch lange hin.
Lizzie seufzte. Der Gedanke, sich vielleicht jahrelang mit dieser Schwiegertochter auseinandersetzen zu müssen, machte sie krank.
»Du kannst mit May ein bisschen hinausgehen«, wandte sie sich jetzt an Nandé, »bevor es wieder regnet. Wenn du magst, nimm auch Abe mit. Seid ihr denn schon fertig im Garten? Wo steckt Doortje?«
»Versucht melken Schafe«, gab Nandé bereitwillig Auskunft.»Ich nicht helfen. Der Baas gesagt, ich muss nicht helfen, wenn ich habe Angst. Wirklich?« Nandé warf Lizzie einen besorgt schuldbewussten Blick zu.
Lizzie seufzte. An sich hatte sie nichts dagegen, dass sich Doortje an der Käserei versuchte. Ihre Schwiegertochter hatte hier wohl Erfahrung, und Lizzie mochte Schafskäse. Leider stellten sich Michaels preisgekrönte Wolllieferanten hier eher quer. Die Schafe und Ziegen in Südafrika waren es zweifellos von klein an gewohnt, gemolken zu werden, während Michaels halb wilde Zuchttiere gar nicht daran dachten, für Doortje stillzuhalten. Sie lebten gewöhnlich frei in der Herde, verbrachten die Sommer mit ihren Lämmern im Hochland und kannten Menschen eigentlich nur vom Scheren – und von gelegentlicher Geburtshilfe. Gute Erfahrungen waren das durchweg nicht, die Tiere versuchten, sich jeder Berührung zu entziehen. Beim Versuch, sie anzubinden und zu
Weitere Kostenlose Bücher