Die Tränen der Maori-Göttin - Lark, S: Tränen der Maori-Göttin
melken, traten und stießen sie um sich. Nandé hatte sich gleich beim ersten Versuch schmerzhafte Blutergüsse eingehandelt und fürchtete sich nun davor. Michael, der ohnehin von der Aktion, die ihm nur die Abläufe auf der Farm durcheinanderbrachte, nichts hielt, erlaubte ihr gern, sich fernzuhalten. Doortje dagegen ließ nicht locker. Jeden Tag stritt sie sich mit drei eigensinnigen Mutterschafen – und ließ sich auf keinen Kompromissvorschlag ein.
»Wir haben jedes Jahr verwaiste Lämmer, Doortje, es spricht nichts dagegen, zwei oder drei davon zu zähmen und ans Melken zu gewöhnen«, schlug zum Beispiel Kevin vor. »Dann hast du in zwei Jahren Mutterschafe, die dir kaum von der Seite weichen, und der Käse schmeckt dann auch noch …«
Doortje bestand jedoch auf direkter Käseerzeugung – sie schien aus dem täglichen Nahkampf mit den Tieren fast Befriedigung zu ziehen.
Lizzie konnte auch darüber nur den Kopf schütteln.
»Du musst hier nur eins, Nandé«, sagte sie jetzt freundlich.»Und zwar aufhören, Michael Baas zu nennen. Er ist weder dein Herr noch dein Onkel. Nenn ihn Michael oder in Gottes Namen Mr. Michael. Aber diesen ›Sklavenjargon‹ will ich hier nicht hören. Was mich auf deine angemessene Entlohnung bringt. Es geht nicht, dass du umsonst für uns arbeitest.«
Nandé schaute verblüfft. »Aber was ich mache mit Geld?«
Lizzie hätte ihr da sofort ein paar Anregungen geben können. Aber jetzt unterbrachen Hufschlag und das Geräusch rollender Räder ihr Gespräch. Lizzie sah aus dem Fenster – und erkannte mit einer Mischung aus Freude und Beklemmung die Stute Lady vor Patricks Wagen. Es war schön, dass Patrick zurück war! Aber andererseits würde es jetzt auch zu einer Begegnung zwischen ihm und Kevin kommen – eine Konfrontation, die Lizzie seit Monaten fürchtete. In Dunedin war Patrick seinem Bruder offensichtlich aus dem Weg gegangen. Kevin stellte das als Zufall hin, aber so recht konnte Lizzie es nicht glauben. Patrick war keine sechs Monate lang unterwegs gewesen – und auch Kevin nicht so beschäftigt, dass nicht gelegentlich ein Treffen möglich gewesen wäre. Aber zwischen den Brüdern stand nach wie vor Juliet Drury-LaBree und nun womöglich auch sehr bald Doortje, die sich hier als Bäuerin gebärdete. Patrick konnte es nicht gefallen, Kevin und seine Frau auf der Farm zu sehen. Elizabeth Station war sein Erbe, Kevin hatte dafür das lange Medizinstudium und die Praxis in Dunedin erhalten. Lizzie und Michael wären auch gern bereit gewesen, ihm eine weitere in Lawrence zu finanzieren, aber die Farm sollte Patrick gehören. Lizzie konnte nur hoffen, dass ihr jüngerer Sohn Kevins Umzug nach Otago nicht als Affront empfand.
Patrick wirkte jedoch nicht unglücklich. Im Gegenteil, er strahlte über das ganze Gesicht und winkte zum Küchenfenster hin, als er daran vorbeifuhr. Lizzie nahm May auf den Arm, um ihm entgegenzugehen, aber der Hund bellte schonzur Begrüßung, bevor sie zur Tür kam. Patrick wirbelte herein, streichelte dem Collie kurz den Kopf, als der an ihm hochsprang, und umarmte dann Lizzie und May gleichzeitig. Lizzie freute sich über die herzliche Begrüßung, wunderte sich aber auch. So euphorisch hatte sie Patrick schon lange nicht erlebt.
Erst jetzt sah der junge Mann Nandé und den kleinen Abe – und schaute das schwarze Mädchen ebenso verwirrt wie bewundernd an.
»Wer ist das denn?«, erkundigte er sich. »Aber wie auch immer. Mutter, May, meine Süße! Ihr glaubt nicht, wen ich euch mitgebracht habe!«
May gluckste freundlich zur Antwort – aber in Lizzie keimte ein ungutes Gefühl, das sich gleich bestätigte.
»Patrick, Überraschung hin oder her, aber du kannst mich nicht im Wagen sitzen lassen. Es regnet!«
Lizzie vernahm eine klangvolle, dunkle Stimme – in der Tür stand Juliet Drury-LaBree. Lizzie schaute sie ungläubig an. Nandé dagegen war sichtlich interessiert. Die bildschöne Kreolin war die erste Farbige, die ihr in Neuseeland begegnete.
Juliet lachte. »Hat es dir die Sprache verschlagen, Miss Lizzie?« Mit gespielter Unbefangenheit ging sie auf Lizzie zu und begrüßte sie mit Wangenküssen. »Patrick meinte, dich müsste der Schlag treffen, aber … na ja, du hast doch sicher damit gerechnet, dass ich irgendwann wiederkomme …«
Lizzie räusperte sich. »Nein«, bekannte sie. »Damit hatten wir ehrlich gesagt nicht gerechnet …«
Sie hätte noch einiges hinzufügen können, aber Juliet fiel ihr ins Wort.
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