Die Tränen der Maori-Göttin - Lark, S: Tränen der Maori-Göttin
seine Krankheiten ein wie ein großer Teil der weiblichen Klientel in Kevins Dunediner Praxis. Nein, Kevin ließe hier niemanden im Stich, wenn er zurück in die Stadt zöge … Er betrat die Behandlungsräume. Irgendwo musste noch eine Flasche Whiskey versteckt sein. Kevin schämte sich dafür, dass er heimlich trank, aber Doortje duldete keinen Alkohol in ihrem Haushalt. Auch etwas, das er zur Sprache bringen sollte. Vincent hatte Recht – er ließ ihr zu viel durchgehen. Er liebte sie zu sehr …
»Ich dachte mir, dass du kommst.« Eine dunkle, sinnliche Stimme.
Kevin hätte das Streichholz beinahe fallen lassen, mit dem er die Gaslampe entzünden wollte. Lawrence hatte noch keinen elektrischen Strom.
»Juliet!«
Juliet lächelte und winkte mit der Whiskeyflasche. »Ich für mein Teil bevorzuge zwar Champagner, aber ich gebe zu, der ist nicht stark genug, um deine kleine Burin wegzutrinken. Machst du das hier, Kevin? Schöntrinken brauchst du sie ja nicht. Schön ist sie. Aber auch kalt, Kevin, nicht? Kalt wie ein … ist es kalt in diesem komischen Land, aus dem sie kommt?«
Kevin schüttelte den Kopf. Juliet saß in seinem Sessel, zwischen ihnen stand der voluminöse Sekretär, an dem er Krankenblätter zu bearbeiten pflegte. Für Kevin hätte es noch den Stuhl gegeben, auf dem er Patienten bat, Platz zu nehmen, aber er blieb unschlüssig stehen.
»Nichts ist kalt in ihrem Land, Juliet«, antwortete er. »Es ist heiß … und trocken …«
Juliet lachte. »Ein Land, in dem die Götter keine Tränen haben«, bemerkte sie. »Ein glückliches Land?«
Kevin schüttelte den Kopf. »Nein, kein glückliches Land. Aber was tust du hier, Juliet? Du solltest nicht hier sein, die Leute werden denken …«
»Niemand hat mich kommen sehen«, sagte Juliet. »Und wenn mich jemand sehen wird, wenn ich gehe … sei’s drum, Kevin. Ich bin deine Schwägerin. Schon vergessen?«
Sie erhob sich und ließ sich lasziv auf dem Schreibtisch nieder. Damit war sie ihm näher. Und es bot sich an, sie zu umarmen. Juliet räkelte sich auf dem Tisch.
»Eben«, sagte Kevin mit heiserer Stimme. »Eben deshalb sollten wir uns nicht zu nahe kommen. Patrick hat … genug für mich … für uns … getan. Wir können nicht …«
»Nun tu mal nicht so, als wollte Patrick uns nur einen Gefallen tun«, murmelte sie. »Und wenn’s dich beruhigt … ich hab ihn ausreichend belohnt. Für einen kleinen Namen für ein Kind …«
»Das … Kind ist sehr schön.« Kevin versuchte verzweifelt,das Gespräch wieder auf eine neutrale Basis zu bekommen, aber es war hoffnungslos. Juliet hatte es jetzt schon geschafft, ihn wieder in ihren Bann zu ziehen. Und, Teufel, es war nicht leicht, einem derart schönen Frauenkörper in einem dunkelroten, extrem engen Kleid zu widerstehen, einem verführerischen Lächeln auf feuchten Lippen und Augen, in denen Begehren stand. Erst recht nicht, wenn man seit Wochen nur hochgeschlossene Hauskleider sah, strenge Hauben und gestärkte Schürzen. Doortjes Körper war schöner als Juliets, Kevin begehrte seine Frau mehr, als Juliet ihn je gereizt hatte. Aber was nützte all das, wenn ihre Reize unter einem unförmigen Nachthemd verborgen blieben und sie ihr goldblondes Haar unter Nachthauben versteckte? Juliets dicke schwarze Locken fielen jetzt über seine Aktenordner. Ihre schmalen, feinen Hände, die gewöhnlich über Klaviertasten tanzten, tasteten nach seinem Füllfederhalter und führten ihn über den Ansatz ihrer Brust, als schrieben sie ein Liebesgedicht. Kevin dachte an Doortjes schwielige Hände, ihre Käserei, den Brotteig, den sie knetete. Er versuchte, sich ihren Duft vorzustellen, frisch und erdig und warm wie frisches Brot … aber Juliets schweres Parfüm schob sich davor. Kevins Erinnerungen an Doortje verblassten, zumindest für diese Nacht. Morgen würde er wieder wissen, warum er sich in Doortje VanStout verliebt hatte. Aber jetzt … Kevin kämpfte mit seinem Verlangen. »Er ist mein Bruder, Juliet«, sagte er gequält. »Wir können Patrick nicht betrügen …«
Juliet machte eine abwehrende Handbewegung. »Er erfährt es ja nicht. Und … ich halt ihn schon schadlos, keine Angst.« Sie lächelte sardonisch, als sie jetzt schon aufkeimende Eifersucht in Kevins Augen sah. Sie würde ihn seine Burin bald vergessen lassen. Und sein Bruder … vielleicht würden Kevin und Patrick sich sehr bald hassen, Juliet war das jedoch gleichgültig. »Aber ab und zu …«, flüsterte sie
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