Die Tränen der Maori-Göttin - Lark, S: Tränen der Maori-Göttin
verstand er auch Juliet. Diese Frau passte schlichtweg nicht aufs Land, sie musste todunglücklich sein auf Elizabeth Station. Ganz sicher würde sie es nicht die nächsten dreißig Jahre lang aushalten, egal, was Patrick sich wünschte. »Wenn du es übertreibst, läuft sie dir bald wieder weg«, versuchte Michael es mit dem einzigen Argument, von dem er sich auch nur den geringsten Erfolg versprach.
»Hier wird sie jedenfalls niemand verführen!«, meinte Patrick verstockt. »Sie ist doch damals auch nicht aus eigenem Entschluss weggegangen. Nur mit diesem Zeitungsschmierer, diesem …«
Michael verdrehte die Augen. »Der Mann hat sie nicht auf sein Pferd gezerrt und ist mit ihr davongaloppiert«, erinnerte er. »Juliet hat ihre Sachen gepackt, das Kind bei Claire abgesetzt und ist dann ganz freiwillig in die Postkutsche gestiegen.«
»Aber er hat ihr ein Engagement versprochen!«, wiederholte Patrick die Erklärung, die ihm Juliet gegeben hatte. »Eines, dem sie nicht widerstehen konnte!«
Michael zuckte die Schultern. »Beim nächsten Mal wird sie sich selbst eins suchen. Patrick, sie hält es hier nicht aus. Und wir halten es auch nicht aus. Und komm jetzt nicht mit der Sache mit dem Klavier. Wir stellen hier ganz sicher keinen Klimperkasten auf, dafür ist das Haus gar nicht groß genug.«
»Das Haus scheint ohnehin nicht groß genug zu sein für Mutter und Juliet!«, bemerkte Patrick bitter.
Erst kurz zuvor war es wieder zu einer Auseinandersetzung zwischen Lizzie und Juliet gekommen, in deren Folge Lizzie im Weinberg verschwunden war und Juliet in dem Zimmer, das sie mit Patrick teilte. Sie hätte lieber ein eigenes gehabt, aber Patrick bestand auf Nähe.
Michael zuckte die Schultern. »Ich kann es nicht leugnen, Patrick. Deine Mutter und Juliet kommen nicht miteinander aus – und ich kann Lizzies Gründe bis zu einem gewissen Grad verstehen. Auf die Dauer müssen wir uns dazu etwas einfallen lassen, vielleicht ließe sich die Goldgräberhütte zu einem größeren Haus ausbauen. Aber vorerst musst du Juliet Abwechslung bieten. Sie wird hier verrückt und deine Mutter auch. Fahr mit ihr nach Dunedin, wenigstens für ein paar Tage. Geht auf ein paar Gesellschaften, in ein paar Konzerte – mach sie glücklich, Patrick! Versuch, sie ein bisschen glücklich zu machen!«
Von der Frau eines Buren erwartete man Gehorsam – freudigen Gehorsam. Doortje kannte es nicht anders von ihrer Mutter und ihrer Großmutter: Eine Burenfrau folgte ihrem Mann bereitwillig über die Berge in die Wildnis und in die Schlacht. Sie lernte Gewehre zu laden und zu schießen. Wenn es sein musste, watete sie im Blut. Sie war bereit, zu töten und getötet zu werden für die Sache ihres Gatten, und sie stand unbeugsam hinter ihm: gegen äußere Feinde, aber im Zweifelsfall auch gegen ihre sonstige Familie und gegen ihre Kinder. Dorothea VanStout hatte all dies vom ersten Moment ihres Lebens an verinnerlicht, und sie tat nun ihr Bestes, unter den gänzlich andersartigen Bedingungen ihrer neuen Heimat ebenfalls ihre Pflicht zu tun. Ohne sich weiter zu beklagen, verließ sie das Blockhaus in Otago, ihr Vieh und ihren frisch angelegten Garten. Kevin brachte sie wieder in die Wohnung über der Praxis, zeigte sich aber bereit, auf Dauer ein etwas ländlicheres Domizil zu suchen.
»Vielleicht in Caversham«, überlegte er. »Da gibt es sehr hübsche kleine Cottages mit Garten. Und Kathleen und der Reverend leben dort, die magst du doch. Du könntest dich in der Kirche engagieren, in der Kinder- und Armenfürsorge …«
Doortje hatte ihn daraufhin nur groß angeblickt. Die Sorge für in Not geratene, wildfremde Menschen war ihrer Gesellschaft unbekannt. Die Familien waren groß und hielten zusammen, Fremde kamen kaum in die Dörfer oder auf die Farmen – und ansonsten teilte die Niederländische Kirche auch die Ansicht der Church of Scotland: Wem es schlecht ging, der hatte es in der Regel verdient, und überhaupt war jedem Menschen sein Schicksal vorbestimmt. Wer verdammt und wer gerettet wurde, stand vom ersten Atemzug an fest. Natürlich hatten die Erlebnisse des letzten Jahres Doortje an diesen Glaubensgrundsätzen zweifeln lassen, aber so weit, dass sie sich für eine anglikanische Armenspeisung engagierte, ging es nun doch nicht.
Zunächst jedoch musste Doortje sich in Dunedin zurechtfinden – diesmal nicht halbherzig, sondern mit dem festen Auftrag ihres Gatten, sich anzupassen. Die junge Frau verbannte also ihre
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