Die Tränen der Maori-Göttin - Lark, S: Tränen der Maori-Göttin
muss doch recht gut aussehend sein.« Kevin öffnete den Mund, konnte sich aber gerade noch zurückhalten, siezu berichtigen. Juliet wusste sowieso schon zu viel, auch wenn sie es völlig falsch deutete. Da brauchte sie nicht auch noch von Colins Tod zu erfahren. »Und Charme scheint er auch zu haben, die Frauen hier sind ihm ja wohl reihenweise verfallen. Deine Schwester, Chloé …«
»Juliet, du verstehst das völlig falsch!«
Kevin versuchte sich aufzurichten, aber Juliet fuhr fort, ihn zu streicheln. »Ich verstehe das schon richtig«, schmeichelte sie ihm. »Das Einzige, was ich nicht verstehe, ist, warum du dem Kind deinen Namen gibst. Warum du das Gänschen mitschleppen musstest und so tust, als wäre es zwischen euch die große Liebe.«
»Du verstehst überhaupt nichts!«, wiederholte Kevin und nahm sich zusammen. »Und ich gedenke auch nicht, es dir genauer zu erklären, denn es geht dich nichts an. Wir müssen über etwas ganz anderes reden, Juliet. Nicht über Doortje und mich, sondern über dich und mich. Das muss aufhören, Juliet! Du bist eine wundervolle Frau, du verführst mich immer wieder, aber so geht es nicht weiter. Finde dich endlich damit ab, dass du mit Patrick verheiratet bist, während Doortje zu mir gehört.«
Juliet lachte. »Aber sie macht dich nicht glücklich.« Ihre Hände wanderten tiefer. »Kevin, ich sehe mir das jetzt seit Monaten an – deine Doortje ist und bleibt ein burisches Gänschen. Vielleicht war sie ja mal ein faszinierendes Flintenweib, aus irgendeinem Grund musst du dich ja in sie verliebt haben. Aber hier ist sie nur noch eine Bauerngöre, hübsch, aber fad. Das weißt du doch selbst.«
»Sie ist meine Frau!«
Kevin wand sich unter Juliets geschickten Fingern. Sie drangen jetzt in Regionen seines Körpers vor, deren Reaktion ihm das Neinsagen erschwerte.
»Aber das lässt sich doch ändern«, flüsterte Juliet. »Komm,Kevin, wir haben beide Fehler gemacht. Lass sie uns korrigieren. Du schickst deine Doortje zurück in die Wildnis, wo sie hingehört, und ich trenne mich von Patrick. Wird natürlich ein kleiner Skandal, wenn wir bekannt geben, dass May von dir ist. Aber letztlich beweist auch das, wie sehr wir füreinander bestimmt sind. Patrick ist eingesprungen, weil du fort warst. Sehr nobel von ihm. Aber jetzt … jetzt verlangt die Natur ihr Recht.«
Sie beugte sich über ihn, ließ ihre Lippen über seinen Körper wandern und verhalf seiner Natur zu ungeahnten Höhenflügen.
Von einem Ende ihrer Beziehung würde zumindest an diesem Tag nicht mehr die Rede sein. Und was eine Neuorientierung anging … Juliet hatte noch viele Ideen, wie sie ihr Wissen rund um Colin Coltrane einsetzen konnte.
Matariki Parekura Turei besaß die glückliche Veranlagung, Sturheit und Voreingenommenheit ihrer Umgebung nicht an sich heranzulassen. Sie hatte das schon als Kind gekonnt: Während Lizzie und Michael sich größte Sorgen darüber machten, wie ihre Tochter mit der Arroganz all der kleinen Schafbaronessen in der Otago Girls’ School zurechtkommen würde, ging Matariki über jede Anfeindung und Stichelei gelassen hinweg. Als ihr leiblicher Vater sie dann auf die Nordinsel entführte, ließ sie sich vom Fanatismus der Hauhau-Bewegung ebenso wenig beeindrucken wie von der Maori-Feindlichkeit in dem Ort Hamilton, in dem sie anschließend strandete. Nachdem sie dort von einem schottischen Ehepaar – fanatischen Anhängern der Church of Scotland – ein Jahr lang gefangen gehalten worden war, entschloss sie sich zwar, alle pakeha zu hassen, aber das wurde ihr schnell zu anstrengend. Dem Geist von Parihaka verfiel sie weniger aus spirituellen Gründen, sondern weil sie sich in dem Maori-Musterdorf einfach wohl fühlte und weilihr der pragmatische Pazifismus des Dorfgründers Te Whiti entgegenkam.
Matariki wusste aber auch, wann ein Kampf verloren war. Als sie meinte, dass ihr eine Verhaftung drohte, floh sie aus Parihaka. Später arbeitete sie dann bei verschiedenen Frauen- und Maori-Organisationen, um das Wahlrecht zu erkämpfen, und auch hier bewährte sich ihr gelassenes Temperament. Matariki stritt für das Wahlrecht, aber die Bigotterie der fanatischen Anhängerinnen der Temperance Union ging ihr ab – sie trank gern einen Schluck Wein, während sie Dutzende von Petitionen an starrsinnige, böswillige und schlichtweg dumme Politiker aufsetzte und abschickte. Matariki verlor nie die Geduld, blieb aber beharrlich. Das half dann auch bei ihrer Tätigkeit als
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