Die Tränen der Maori-Göttin - Lark, S: Tränen der Maori-Göttin
Wirklichkeit recht nahe. Doortje war an Juliets Sticheleien und Gemeinheiten gewöhnt. Um sie so weit zu treiben, dass Kevin einen Selbstmord befürchtete, musste mehr vorgefallen sein als ein Streitgespräch.
Lizzie grübelte die halbe Nacht lang, bis sie in einen unruhigen Schlaf fiel. Bei Morgengrauen erwachte sie bereits wieder. Die Männer würden sich jetzt sicher zum Abstieg bereit machen, und Lizzie dankte Gott, dass es nicht regnete … Sie blieb noch eine Weile nachdenklich liegen, dann stand sie auf und warf einen Blick aus dem Fenster. Im Haus hielt sie es nicht länger aus. Lizzie warf schnell ein Hauskleid und einen Umhang über und ging hinaus zum Wasserfall. Ihr maunga . Wenn sie Sorgen hatte oder nachdenken musste, pflegte sie hierherzukommen. Und auch wenn sie nach außen hin eine gläubige Anglikanerin war und Reverend Burton über alles schätzte: Ihre Götter traf sie hier.
Die in sich zusammengesunkene Gestalt, die im Schatten eines Felsens Schutz vor der Nachtkälte gesucht hatte, hatte allerdings nichts Göttliches an sich. Im noch fahlen Licht des neuen Tages dachte Lizzie zuerst an ein zitterndes Tier, aber dann erkannte sie Doortjes blondes Haar. Die junge Frau hatte sie noch nicht entdeckt, sie hockte an den Stein gelehnt, das Gesicht an ihre Knie gepresst und die Arme darumgeschlungen. Ihr viel zu dünnes Kleid war durchnässt, schmutzig und zerrissen. Kein Wunder, sie musste stundenlang durch den Wald geirrt sein.
»Doortje!« Lizzie lief zu ihrer Schwiegertochter und nahm dabei schon ihren Umhang ab, um die junge Frau darin einzuhüllen. »Mein Gott, Kind, warum bist du denn nicht ins Haus gekommen? Kevin glaubt, du wärest tot! Die Männer suchen dich unterhalb der Klippe … da warst du doch, oder? Himmel, Doortje, du bist völlig unterkühlt.«
Gleichzeitig besorgt, verärgert und unendlich erleichtert legte Lizzie den Umhang um sie. Doortje zitterte, immerhin zeigte sie Lebenszeichen. Sie blinzelte in das erste Sonnenlicht, und ihr unendlich trauriger Blick traf Lizzie.
»Ich hab deinen Schal verloren«, murmelte sie. »Auf den Klippen. Ich wollte … Tut mir leid …«
Sie sprach nicht weiter, krümmte sich aber wieder zusammen. Lizzie musste an ein verletztes Tier denken. Sie hockte sich zu ihrer Schwiegertochter und nahm sie sanft in die Arme.
»Was ist denn geschehen, Doortje? Was ist denn bloß geschehen?«
Doortje schien sich zuerst in die Umarmung ergeben zu wollen, aber dann zuckte sie zurück.
»Colin Coltrane«, stieß sie hervor. »Du … du hast es auch gewusst?«
Lizzie sah Verzweiflung in Doortjes Augen und den hilflosen Wunsch, zumindest ihrer Schwiegermutter trauen zu können.
»Was denn, Liebes? Was soll ich gewusst haben?« Der Felsen, auf dem sie saßen, war noch feucht und kalt, bequem war es dort nicht. »Wir sollten besser ins Haus gehen, um zu reden«, meinte Lizzie.
Doortje schüttelte entschlossen den Kopf. »Nicht, solange sie da ist! Ich will sie nie wiedersehen. Sie … sie wusste es, aber … sie … Es war doch alles ganz anders!«
Lizzie bemühte sich, aus ihrer Rede schlau zu werden. »Juliet. Du willst nicht ins Haus, solange Juliet da ist. Verstehen kann ich es … Aber was hat sie gewusst, Doortje? Und was bedeutet dir Colin Coltrane?«
»Du kennst ihn also?«, flüsterte Doortje. »Du wusstest es auch. Es stimmt, was sie sagte. Mit … Matariki …«
Lizzie atmete tief durch. »Ja«, sagte sie. »Ich weiß zwar nicht, um welches geheime Wissen es hier geht, aber ich kannte Colin Coltrane. Er hat meine Tochter verführt und danach Chloé, wobei Matariki noch Glück hatte. Ihr hinterließ er nur eine bezaubernde Tochter – Chloé hätte er fast ihr Leben zerstört. Er ist ein Betrüger und Mistkerl, Doortje – egal, was wer auch immer dir über ihn gesagt haben mag. Obwohl ich … ich darf mir eigentlich nicht anmaßen, über ihn zu richten, ich …« Sie hielt inne, aber dann sagte irgendetwas in ihr, dass sie dieser jungen Frau einen Vertrauensbeweis schuldete. Sie war bereit, das dunkelste Geheimnis ihres Lebens mit ihr zu teilen. »Ich habe sein Leben zerstört«, sagte sie. »indem ich seinen Vater tötete. Das weiß sonst niemand, Doortje, nur Michael, der Reverend und ich. Es war Notwehr, ich habe mir nichts vorzuwerfen. Aber ich bin schuld daran, dass Colin als Halbwaise aufwuchs … wobei Kathleen alles für ihn getan hat, was sie konnte. Sie war all ihren Kindern eine gute Mutter, sie …«
»Es stimmt,
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