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Die Tränen der Maori-Göttin - Lark, S: Tränen der Maori-Göttin

Die Tränen der Maori-Göttin - Lark, S: Tränen der Maori-Göttin

Titel: Die Tränen der Maori-Göttin - Lark, S: Tränen der Maori-Göttin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Lark
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die Stirn. Aber er konnte nicht verhindern, dass er mit Doortjes Bild vor Augen einschlief. Ein blonder Racheengel, der wutentbrannt auf unschuldiges Geschirr und Möbel einprügelte – und ihn dann mit der gleichen Leidenschaft küsste …
    Am nächsten Morgen hörte man zunächst Gefechtslärm. Auch in den letzten Tagen waren immer mal wieder Schüsse gefallen, allerdings eher sporadisch. Es hatte mehr nach Übungsschießen geklungen denn nach einem Schusswechsel oder gar einer Schlacht. Jetzt aber folgten Granatenexplosionen auf Gewehrsalven, schon auf der Farm der VanStouts war es laut, an der Front musste der Lärm infernalisch sein.
    Im Lazarett traf dann zunächst Dr. Willcox ein, Barristers Vertreter. Er hatte in den letzten Tagen im Sanitätszelt an der Front die Stellung gehalten und kleine Verletzungen oder Blasen an den Füßen der Soldaten behandelt. Gestern war es denn erstmals ernst geworden, aber beide Verwundeten hatten dieNacht überstanden. Einer war nur leicht verletzt, den anderen hatte Willcox sofort operiert – er war schon fertig gewesen, als Barrister und Tracy eintrafen. Nun begleitete er die beiden Verletzten ins Lazarett.
    »Und der nächste Transport folgt wahrscheinlich in höchstens einer Stunde«, erklärte Willcox. »Die Schlacht tobt seit Sonnenaufgang. Die ersten Verwundeten kamen rein, als ich abritt … Machen Sie sich bereit.«
    Willcox klang äußerst ernst, aber die beiden ersten Patienten stellten nun wirklich noch keine Herausforderung dar. Beide waren gut versorgt und ordentlich verbunden, sie lagen recht bequem auf einem Strohlager in einem der drei Kastenwagen, auf denen die Verwundeten transportiert wurden. Die Pfleger brauchten sie nur auf die Strohsäcke umzubetten.
    Dann jedoch kam der zweite Transport – und Kevin erhielt einen Vorgeschmack darauf, wie es an der Front zugehen musste. Es war fast undenkbar, dass nur zwei Ärzte und ein paar Pfleger diese vielen Verletzten erstversorgt hatten – und die Qualität der Behandlung war natürlich auch danach. Wunden waren nur flüchtig abgedeckt worden, Gliedmaßen, die amputiert werden mussten, hatte man abgebunden, die Patienten aber kaum weiterbehandelt. Die Männer lagen dicht aneinandergedrängt auf kaum gepolsterten Wagen, einige schrien, stöhnten und weinten.
    »Die hier zuerst!«, bestimmte Dr. Willcox und wies auf einen Mann mit blutigem Beinstumpf und einen anderen mit völlig zerfetztem Arm. Ersterer war bewusstlos, der Zweite wimmerte. »Haben Sie schon mal jemandem ein Bein abgenommen, Drury? Ich seh schon, nein. Aber Sie wissen, wie man eine Säge bedient? Werden Sie jetzt nicht grün, Drury, greifen Sie sich OP -Besteck und assistieren Sie mir …«
    Kevin kämpfte sein erstes Entsetzen ziemlich schnell nieder. In seiner Praxis hatte er allenfalls mal eine Fingerkuppeamputiert, und auch während seiner Assistenzarztzeit in einem Dunediner Krankenhaus hatte er wenig operiert, Kevin mochte den Umgang mit Menschen und hatte die Allgemeinmedizin der Chirurgie vorgezogen. Im Operationssaal hatte er sich jedoch stets sehr geschickt angestellt und auch im Studium in der Pathologie. Als er sich erst an das blutige Geschäft gewöhnt hatte – es gab hier keine Assistenten, die das Blut stets gleich abtupften, wenn der Chirurg schnitt –, arbeitete er schnell und effizient.
    Willcox war zufrieden mit ihm. »Lassen Sie sich bloß von den Schreien nicht irritieren, wenn uns die Opiate ausgehen«, meinte er nur. »Wir sind eigentlich gut sortiert, aber im Eifer des Gefechtes dosiert man nicht immer sehr genau, und es muss ja auch schnell gehen …«
    Es ging unglaublich schnell. Auf dem Operationstisch der beiden Ärzte folgte ein Patient dem anderen, die Pfleger wechselten sie so schnell aus, dass den Ärzten keine Atempause blieb. Am zweiten Tisch arbeitete McAllister allein mit einem indischen Pfleger. Die beiden kümmerten sich um die leichteren Fälle – und um eine Art Selektion. Letzteres erkannte Kevin erst, als er sich beim zehnten oder fünfzehnten Patienten fragte, warum es ihnen zumindest vorerst gelang, alle zu retten.
    »Die hoffnungslosen Fälle kriegen wir nicht auf den Tisch«, antwortete Willcox knapp und wies mit dem Kinn auf McAllister. Neben seiner eigentlichen Arbeit bestimmte der die Reihenfolge der Operationen. Und ließ die schwersten Fälle liegen …
    »Aber das ist unmenschlich!«, erregte sich Kevin. »Wir müssten die eigentlich zuerst …«
    Willcox schüttelte den Kopf.

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