Die Tränen der Maori-Göttin - Lark, S: Tränen der Maori-Göttin
heran und schaute sich um, bevor er einen Eimer Wasser in den Eingang der Scheune stellte. Seine Herrschaft schien nichts davon zu wissen, dass er hier aushalf.
»Der versorgt uns schon den ganzen Tag mit Wasser«, meinte einer der neuseeländischen Pfleger. »Eine enorme Erleichterung, wir hatten hier ja alle Hände voll zu tun. Und die Zulu-Frau brachte vorhin einen halben Eimer Milch. Ich glaub, die sind für uns, die Neger. Die mögen die Buren auch nicht.«
Kevin dachte bei sich, dass sie wohl auch keinen besonderen Grund hatten, die Engländer zu mögen. Die hätten die Burenrepublik mit ihren abstrusen Gesetzen schließlich nicht anerkennen müssen. Bei der Übernahme des Landes hätten sie gleich für die Schwarzen kämpfen müssen – nicht jetzt erst für Gold. Aber dann dachte er nur noch an Doortje. Als er am Haus vorbeiritt, hörte er ihre klangvolle Stimme. Sie sprach in ihrer Sprache, Niederländisch oder Afrikaans, wie immer man es nannte, und sie schien aus der Bibel oder einem Gebetbuch vorzulesen. Im Licht der Gaslampen sah er ihre schlanke Silhouette, ihre adrette Haube über dem flachsblonden Haar. Sie schien sie niemals abzunehmen, er musste jemanden fragen, ob das Gründe hatte. Kevin stellte sich vor, wie er die Bänder lösteund ihr Haar in weichen Wellen über ihren Rücken fiel. Wie Gold, aber ohne den metallischen Schimmer, den das Haar seiner Nichte Atamarie so besonders machte. Doortjes Haar war wie das Gold der Weizenähren …
Kevin dachte, dass es sich um dieses Gold zu kämpfen lohnte.
Im Heerlager der Engländer herrschte Ruhe, als Kevin todmüde dort eintraf. Es war genau, wie er es sich vorgestellt hatte, mit der Entspannung kam die Erschöpfung. Vor dem Lazarettzelt saßen ein paar Pfleger und rauchten, daneben lagen unzählige von in Planen gewickelten länglichen Bündeln. Kevin ahnte, was das war – hier hatte es mehr als zwei Tote gegeben.
»Dr. Barrister?«, fragte er die Pfleger kurz.
Einer wies nach drinnen. »Operiert noch. Ein paar schwere Fälle, die bis jetzt durchgehalten haben. Gehen Sie rein …«
Barrister war ebenso schmutzig und blutverschmiert wie Tracy, er wirkte erschöpft, aber nicht so ausgebrannt wie sein junger Kollege.
»Kommen Sie, Drury, helfen Sie mir. Ein Bauchschuss, keine große Überlebenschance. Aber wenn er bis jetzt nicht gestorben ist … dann versuchen wir’s wenigstens mal. Konnten Sie was für den Lungenschuss tun?«
Kevin schüttelte den Kopf. »Dr. Willcox …«
»… wird es auch heute Nacht noch versuchen, falls der Junge noch lebt. Aber wir sollten wenigstens zwei Stunden Schlaf bekommen. Das geht morgen genauso weiter … die Buren in Wepener denken nicht ans Aufgeben, die kämpfen bis zur letzten Patrone. Und ihre Position ist wohl exzellent, es kann noch zwei oder drei Tage dauern, bis wir die Stadt zurückerobern.«
Kevin nahm sich ein Skalpell. »Aber letztlich gewinnen wir?«, vergewisserte er sich.
Barrister nickte. »Keine Frage. Die Leute könnten ebensogut aufgeben. Aber das tun sie nicht. Und wir haben sie im Übrigen auch im Rücken. Die meisten von den jungen Männern hier …«, er wies auf das Lazarettzelt, »… wurden nicht beim Angriff auf die Stadt getroffen. Eher von marodierenden Kommandos, die aus dem Nichts zu kommen schienen. Es sind jetzt ganze Heeresteile dazu abgestellt, die umliegenden Hügel zu sichern. Viele von Ihren Leuten übrigens. Es heißt, die reiten genauso verrückt wie die Buren. Weiß nicht, ob das ein Kompliment sein soll, aber sie nennen sie jetzt schon Rough Riders. Und sie scheinen erfolgreich zu sein, ich hatte kaum welche auf dem Tisch …«
Trotz all ihrer Bemühungen starben Kevin und Barrister in dieser Nacht noch drei der aufgeschobenen schweren Fälle – und Kevin begann Tracy zu verstehen. Wenn der ganze Tag so frustrierend verlaufen war … nun, am nächsten Morgen würde er es sehen. Kevins zehn Stunden Dienst an der Front würden bei Sonnenaufgang beginnen. Zwei Stunden vor Sonnenaufgang fiel er völlig erschöpft auf einen Strohsack neben seinen letzten Patienten.
KAPITEL 4
Lizzie und Michael wollten Patricks und Juliets Hochzeit auf Elizabeth Station feiern, und Patrick hätte nichts dagegen gehabt. Er liebte die Farm – irgendwann würde er sie ja auch einmal erben, Kevin zeigte schließlich kein Interesse –, und er war auch dem in der Nähe lebenden Maori-Stamm eng verbunden. An einem Fest auf Elizabeth Station würde diese zusätzliche
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