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Die Tränen der Maori-Göttin - Lark, S: Tränen der Maori-Göttin

Die Tränen der Maori-Göttin - Lark, S: Tränen der Maori-Göttin

Titel: Die Tränen der Maori-Göttin - Lark, S: Tränen der Maori-Göttin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Lark
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»Junger Mann, wenn wir versuchen, den da zu retten …«, er zeigte auf einen Lungenschuss, »dann stehen wir dafür mindestens zwei Stunden am Tisch, und inzwischen sterben uns drei andere. Für eine Chance vonvielleicht zehn Prozent, dass dieser eine durchkommt. So geht das nicht im Krieg. Mir tut es auch leid …«
    Der Mann mit dem Lungenschuss war noch sehr jung, womöglich hatte er mit dem Mindestalter für Freiwillige geschwindelt und sich älter gemacht. Willcox musterte ihn bedauernd. »Man hätte ihn gleich drüben sterben lassen sollen. Aber Barrister hat manchmal ein weiches Herz.«
    Für Kevin vergingen die ersten zehn Stunden wie im Flug, er operierte immer noch, als bei Einbruch der Dunkelheit der letzte Transport Verwundeter eintraf. Begleitet von Dr. Tracy, der es sich nicht nehmen ließ, gleich an Kevins Stelle an den OP -Tisch zu treten.
    »Sie sollen sofort an die Front reiten, Drury. Barrister operiert noch und kann Hilfe brauchen. Wir machen eine Art fliegenden Wechsel. McAllister kann dann in zwei Stunden nachkommen. Bis dahin müsste da unten Ruhe sein.«
    »Aber Sie sollten sich ausruhen«, meinte Kevin mit Blick auf seinen Kollegen.
    Dr. Tracy hielt sich immer noch aufrecht wie ein Gentleman, aber er sah entsetzlich aus. Seine am Vorabend noch blitzsaubere Uniform mit den perfekten Bügelfalten war verdreckt und blutdurchtränkt. Sein Gesicht wirkte hager und eingefallen, die Augen lagen tief in den Höhlen, und sein Blick hatte sich verändert. Dr. Tracy sah aus, als hätte er in einen Abgrund geblickt.
    »Das müssten wir alle«, sagte Tracy kurz, und Kevin fragte sich, ob er selbst vielleicht genauso aussah wie sein Kollege. Aber er fühlte sich eigentlich noch recht wach – wahrscheinlich würde er seine Müdigkeit erst bemerken, wenn er sich entspannen konnte.
    »Und ich möchte jetzt mal jemanden retten«, fügte Tracy hinzu. »Wenn ich … wenn ich noch mehr Tote sehe, dann …«, er straffte sich und schluckte herunter, was er offenbar sagenwollte, »… dann … dann könnte ich die Contenance verlieren …«, vollendete er den Satz dann doch.
    Jetzt griff er nach dem Skalpell. Kevin ließ ihn arbeiten.
    Kevin seinerseits kontrollierte auf dem Weg zum Pferdestall noch kurz den Zustand seiner Patienten. Die Pfleger – die indischen wie auch die frisch angelernten Neuseeländer – machten ihre Arbeit gut. Zwei der Anfänger hatten zunächst zwar mit Übelkeit kämpfen müssen, aber inzwischen hatten sich alle gefangen. Die Verwundeten lagen auf sauberen Strohsäcken, die Pfleger gingen von einem zum anderen, sprachen Mut zu und flößten den Männern Wasser und Suppe ein. Einer der neuen Hilfspfleger saß neben dem sterbenden jungen Mann mit dem Lungenschuss, sprach auf ihn ein und betete. Kevin lobte ihn – und fragte sich, ob es keinen Geistlichen gab, der dafür eigentlich zuständig wäre.
    Bei einem der anderen Pfleger erkundigte er sich nach den VanStouts. Vielleicht hatte all das Leid, das sie heute hier gesehen hatten, ja doch an das Herz dieser Familie gerührt, und sie standen zumindest den Ärzten und Pflegern endlich etwas freundlicher gegenüber. Die Pfleger zuckten jedoch nur die Schultern. Die VanStouts hatten sich den ganzen Tag lang nicht blicken lassen.
    »Dabei sind sie auch nicht auf dem Feld«, wusste einer der Inder zu berichten.
    Der Koch, dessen Helfer eben einen großen Topf Eintopf in die Scheune schleppten, sog scharf die Luft ein.
    »Die beten!«, erklärte er und füllte rasch eine Schale Suppe für Kevin. Der merkte jetzt erst, wie hungrig er war. »Schon stundenlang. Ich verstehe ja nichts von dem Kauderwelsch, aber wenn Sie mich fragen, dann geht’s um den Sieg der Buren … Kann man das nicht unterbinden, Doktor? Also mich macht es ganz verrückt.«
    Kevin lächelte müde zwischen zwei raschen Löffeln Suppe. »Darauf zielt es wahrscheinlich ab. Beachten Sie es am besten gar nicht. Verbieten können wir’s jedenfalls nicht, da müssen Sie einfach auf Gott vertrauen. Der erhört ja nicht jeden … Das hier schmeckt übrigens großartig – wo lag noch mal das Restaurant, in dem Sie früher gearbeitet haben? Melbourne?«
    Kevin unterhielt sich noch etwas mit dem Koch, während die Pfleger nacheinander zum Essen eintrafen, alle ebenso hungrig wie der junge Arzt. Dann verließ er das Hospital widerstrebend – und erblickte zu seiner Verwunderung einen der Schwarzen, den Bruder Nandés. Der Mann schob sich im Schutz der Dunkelheit

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