Die Tränen der Maori-Göttin - Lark, S: Tränen der Maori-Göttin
wetten.«
»Atamie!«
Roberta war entsetzt. Sie war im Rennbahnmilieu aufgewachsen und hatte es immer gehasst. Wetten und Whiskey, das hatte ihre Mutter ihr von klein auf vermittelt, konnten eine Familie ruinieren. Wobei sie aus Erfahrung sprach: Robertas leiblicher Vater war beidem verfallen gewesen.
»Nun hab dich nicht so! Lord Barrington hat drauf bestanden. Und Heather hat verloren, aber ich habe gewonnen. Zwei Mal. Wobei es ganz einfach war, ich hab immer auf das Pferd mit den längsten Beinen gesetzt und dem stromlinienförmigsten Körper. Alles pure Physik … na ja, beim dritten Mal hat’s nicht so geklappt, der Gaul kam nicht in die Gänge, ich glaube, er war einfach faul. Aber es ist genug übrig, um den Kaffee zu bezahlen!«
Vergnügt bestellte Atamarie dazu noch einen großen Teller Kuchen.
»In einer Galerie waren wir auch noch … aber ich hab vergessen, wie der Künstler hieß. Heather war jedenfalls ganz begeistert. Kommst du übrigens heute Abend? Oder muss man sich nicht nur wie die Eulen anziehen, sondern auch mit den Hühnern ins Bett, wenn man Lehrerin werden will?«
Roberta sah ihre Freundin tadelnd an. »Eulen sind nachtaktiv«, quittierte sie die Neckerei. »Und natürlich komme ich.Es ist ja eine Vernissage, kein Nachtclubbesuch! Wie heißt noch die Künstlerin?«
Atamarie zuckte die Achseln. Sie hatte sich auch das nicht gemerkt, aber damit war sie nicht allein in Dunedin. Es gab in dieser Stadt zwar recht viele reiche Leute, die sich Kunst leisten konnten, aber echten Enthusiasmus brachten nur wenige dafür auf. Dennoch waren die Vernissagen in Heathers und Chloé Coltranes Galerie sehr beliebt. Sie gehörten zu den wichtigsten gesellschaftlichen Anlässen in der Stadt, und die Einladungen waren heiß begehrt. Chloé war allerdings auch eine ausgesprochen begabte Gastgeberin und Heather als Künstlerin weit über Neuseeland hinaus bekannt. Die beiden Frauen lebten seit zehn Jahren zusammen, und viele ihrer Kunden nahmen an, dass es sich um Schwestern handelte. Das stimmte jedoch nicht, Chloé verdankte ihren Nachnamen einer unglücklichen Ehe mit Heathers Bruder.
Zwischen Atamarie und Roberta entstand eine kurze Gesprächspause, während der Kaffee serviert und Kuchen aufgetragen wurde. Roberta gab Zucker in ihre Tasse, während Atamarie ihren Gedanken nachhing. Wahrscheinlich überlegte sie schon, welches Kleid sie am Abend tragen würde – Kathleen hatte sicher etwas Neues für ihre beiden Enkelinnen. Sie pflegte stets zu behaupten, die Mädchen täten ihr einen Gefallen damit, die teuren Kleider anzunehmen. Schließlich machten sie damit ja Reklame für Lady’s Goldmine.
Roberta kämpfte ein wenig mit sich, wagte dann aber, Atamarie die Frage zu stellen, die ihr schon tagelang auf den Nägeln brannte.
»Weißt du zufällig, ob … ob dein … hm … Onkel auch kommt?«
Atamarie grinste. »Welcher?«, fragte sie dann hinterhältig.
Roberta lief sofort rot an. »Na ja, hm … Kevin?«
Sie versuchte, ihre Stimme unbeteiligt klingen zu lassen, fast,als fiele es ihr schwer, sich an Kevins Namen zu erinnern. Aber im Grunde war das sowieso vergebene Liebesmüh. Atamarie kannte sie zu gut. Sie wusste genau, von welchem der beiden jüngeren Brüder ihrer Mutter die Rede war. Roberta war seit Monaten verliebt in Kevin, den Älteren der beiden, der nach einem irischen Heiligen benannt worden war wie sein Großvater. Aber natürlich durfte davon niemand etwas wissen. Es war ja Unsinn, auch nur zu hoffen, dass der erfolgreiche junge Arzt die Freundin seiner Nichte bemerken, geschweige denn ihr Avancen machen würde. Jedenfalls solange Atamarie und Roberta noch zur Schule gingen, war das höchst unwahrscheinlich gewesen. Aber nun, als Studentin … Robertas Eltern gehörten zur besseren Gesellschaft von Dunedin, in ihrem Gefolge würde die junge Frau sicher zu Konzerten und Bällen, Vernissagen und Theateraufführungen eingeladen werden. Kevin Drury traf man bei fast jedem dieser Anlässe. Gemeinsam mit einem Freund hatte er vor wenigen Jahren eine Arztpraxis in Dunedin eröffnet und warb immer noch um neue Patienten. Am liebsten natürlich gut betuchte Herrschaften und bevorzugt Frauen. Die liefen ihm auch in Scharen zu. Mit seinem lockigen schwarzen Haar und seinen wachen blauen Augen sah er ausgesprochen gut aus. Dazu war er ein verwegener Reiter, der kein Jagdspringen ausließ und sein Pferd mitunter sogar auf der Rennbahn selbst vorstellte.
Kevins Bruder Patrick war sehr
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