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Die Tränen der Massai

Die Tränen der Massai

Titel: Die Tränen der Massai Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Coates
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alberne Ideen bringt,
sagten sie immer. Selbst ihre Freundinnen neckten sie und nannten sie »Pferdemädchen«. Das störte Naisua nicht. Sie stellte sich vor, ein Fohlen zu sein – anmutig, schnell und stolz. Mit der Zeit ließen die Neckereien nach, aber Familienmitglieder erinnerten sich noch hin und wieder an den Spitznamen ihrer Kindheit und neckten sie damit.
    Das Feuer begann zu brennen, und sie legte getrockneten Kuhdung nach. Als die Milch kochte, goss sie sie auf die Hirse, kämpfte gegen eine weitere Welle von Übelkeit an und trug die Holzschale nach draußen. Der kalte Wind zupfte an ihrer Kleidung, als sie auf den Hügel vor dem
Enkang
stieg. Es tat gut, wieder draußen in der frischen Morgenluft zu sein.
    Lenana saß in einem Kreis von Ältesten unter dem Affenbrotbaum. Mit ihren dunkelroten Umhängen, die sie gegen den Wind über die Köpfe gezogen hatten, und ihren glitzernden schwarzen Augen sahen die Männer aus wie ein Nest zahnloser Kobras.
    Naisuas Mann nickte, als sie mit seinem Brei näher kam. Eine Spur eines Lächelns erschien auf seinen dünnen, eingerissenen Lippen. Er sah müde aus. Naisua drehte sich um, um zu gehen, aber wie öfter in der letzten Zeit bedeutete er ihr mit einer subtilen Geste, zu bleiben. Sie zog die langen Beine unter sich und setzte sich schräg hinter ihn. Sie wagte einen kurzen Blick in den Kreis alter Männer, dann schaute sie zu Boden. Es war nicht gut, einen stolzen Eindruck zu machen. In den Blicken, die sie auffing, lag mehr als nur eine Spur von Ärger, vielleicht auch so etwas wie Eifersucht auf das Privileg, das ihr, einer Frau, gewährt wurde.
    »Lenana«, sagte ein Ältester und stand auf. »Als die Massai Naivasha und Nakuru verlassen mussten, sagtest du, die Briten hätten versprochen, dass das restliche Land in unserem Besitz bleibt, solange die Massai als Volk existieren. Du sagtest, der Gouverneur hat es versprochen. Solange die Massai als Volk existieren.«
    »Ja, mein Bruder, er hat es versprochen.«
    »Aber jetzt erzählst du uns, dass sie uns erneut umsiedeln wollen?«
    Lenana seufzte. »Sie behaupten, es sei zu unserem Vorteil. Alle Klans werden in der gleichen Region vereint sein.«
    »Die Briten versprechen das?«
    »Ja. Gouverneur Sir Percy Girouard.«
    »Ja, die Briten. Die gleichen Briten, die das erste Abkommen unterzeichnet haben …« Die Stimme des Mannes verklang.
    »Es ist Zeit, meine Anmerkungen zu beschließen, Lenana, denn ich sehe, dass die Sonne bereits aufgeht, und die Frauen werden etwas zu essen haben, um unsere knurrenden Mägen zu beruhigen.«
    Naisua konnte spüren, wie die Blicke zu ihr wanderten.
    »Du hast dir eine lange Nacht angehört, was wir zu sagen hatten«, fuhr der Älteste fort. »Was fängst du jetzt damit an? Sollen wir uns dieser neuen Unsiedlungsforderung der Briten beugen? Uns in dem schlechteren Weideland im Süden ansiedeln, wie unser Bruder aus Machakos geraten hat? Oder sollen wir nur zustimmen, wenn der Berg Kinangop für unsere heiligen Zeremonien erhalten bleibt? Oder vielleicht sollten wir, wie unser Bruder aus Baringo vorschlägt, nicht nur Land, sondern viel, viel Vieh verlangen?« Er ließ die Möglichkeiten in der Luft hängen, während er sich im Kreis umsah. »Oder sollen wir, wie meine Brüder aus den Loita-Hügel und ich vorschlagen, kämpfen? Sollten wir unsere Krieger gegen die Briten ausschicken? Denn wir sind wieder stark, Brüder. Seit der Zeit der Pocken sind wir nicht mehr so stark gewesen wie heute. Unsere Herden sind groß. Wir können einen langen Krieg verkraften. Der Kriegsgesang der
Moran
würde durch den gesamten Grabenbruch dröhnen. Wir können die Briten und die Kikuyu-Diebe von unserem Land vertreiben und hinter die Berge zurückscheuchen.« Wieder hielt er inne. Als er weitersprach, war seine Stimme brüchig. »Brüder! Soll das Blut der Briten unser Land für das Vieh fruchtbar machen!«
    Ein paar nickten, als der Sprecher sich wieder hinsetzte. Andere hielten die Köpfe gesenkt und richteten den Blick auf den steinigen Boden in der Mitte des Kreises. Schließlich jedoch wandten sich alle Lenana zu. Er saß da, eine zerbrechliche Gestalt, die sich vor dem Laikipia-Wind duckte. Naisua musste gegen den Impuls ankämpfen, ihm die Hand auf die Schulter zu legen.
    »Alle Ältesten haben gesprochen, und ich danke euch, dass ihr von so weit her gekommen seid, um mir eure weisen Ratschläge zu geben«, sagte Lenana schließlich. »Ich werde die Anleitung der Geister suchen,

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