Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Tränen der Massai

Die Tränen der Massai

Titel: Die Tränen der Massai Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Coates
Vom Netzwerk:
gemacht. Sie wusste nicht, ob er krank oder nur betrunken war. Doch sie kam zu dem Schluss, dass es wahrscheinlich das Beste wäre, ihn schlafen zu lassen, während sie sich um ihren Teil des Abkommens kümmerte und Tingisha zu seinem verwundeten Freund brachte.
    Kleine Bäche flossen über den Weg und machten es schwer, festzustellen, ob das Auto noch auf der Straße war – wenn man es denn eine Straße nennen konnte – oder bereits daneben.
Swock … swock … swock.
    Sie waren noch nicht weit vom Camp entfernt, als die Scheinwerfer auf Hütten fielen. Tingisha machte deutlich, dass sie ihr Ziel erreicht hatten. Malaika blieb hinter dem Lenkrad sitzen, als er die Autotür zuwarf und auf die nächste Hütte zuging. Das hier war das erste Massai
enkang,
das sie seit beinahe zwanzig Jahren sah.
    Swock-swock-swock.
Der drängende Rhythmus der Scheibenwischer zog sie in einen Strudel von Emotionen. Sie starrte ihr Spiegelbild in der beschlagenen Windschutzscheibe an und versuchte, die Panik niederzukämpfen. Vage erinnerte Gesichter legten sich über das ihre. Sie schob sie weg und stellte den Motor ab. Wenn sie diesen verwundeten Mann an sein Ziel bringen und zurückkehren wollte, bevor Jack aufwachte, musste sie sich beeilen.
    Malaika zögerte an der Hütte, die Tingisha betreten hatte. Plötzlich wurde ihr klar, dass niemand ahnte, wo sie war, sie selbst eingeschlossen, und dass sie einem Mann folgte, von dem sie zwölf Stunden zuvor nicht einmal gewusst hatte, dass er existierte. Sie schluckte angestrengt, dann schlüpfte sie unter dem Kuhfell vor der Tür hindurch.
    Im Eingangsbereich war es dunkel; nur eine Spur von Licht drang aus dem Raum heraus. Malaika betrat geduckt den Hauptraum, wo in einer Kerosinlampe auf dem Boden eine Flamme flackerte und qualmte. Schatten tanzten über die niedrige Decke, während die Lampe um ihr Leben kämpfte. Der beißende Geruch des schwelenden Dungs im Kochfeuer ließ Malaika die Tränen in die Augen treten. Sie sah ein Bild von sich selbst als Kind vor sich, wie sie sich in einer solchen Hütte die Augen wund rieb.
    Es brauchte einige Zeit, bis sie sich nach dem hellen Scheinwerferlicht an die trübe Beleuchtung gewöhnt hatte.
    Tingisha stand an der Seite. Es waren noch zwei andere Männer in der Hütte. Einer saß auf der Kante einer Bettplattform, während der zweite, ein gut aussehender junger
Morani,
sich auf dem Bett an einen Stapel gefalteter Kuhfelle lehnte.
    Der Mann auf dem Bett öffnete langsam die Augen. Sein Gesicht war schweißnass. Er blinzelte gegen eine Wolke vor seinen Augen an. Die Augen waren groß und hatten eine vertraute Form. Malaika fühlte sich wie nackt unter dem Feuer in seinem Blick, als könnte er in ihre Seele schauen. Trotz ihres Unbehagens ging sie unwillkürlich einen Schritt auf ihn zu.
    Die Erinnerung an einen gut aussehenden Jungen zuckte ihr durch den Kopf.
    Sie machte einen weiteren Schritt und keuchte auf Swahili: »
Haki ya Mungu!
«, dann wiederholte sie auf Maa: »Mein Gott! Kireko!«
    »Malaika«, sagte er mit dünnem Lächeln. Dann fügte er auf Maa hinzu: »Engel. Unser Leben ist leer ohne dich.«

Kapitel 28
    Aus Peabodys Ostafrikaführer (5. Auflage):
    Der Hadada-Ibis hat ein matt olivgrünes Gefieder und bewohnt die Seen und Sümpfe von Ostafrika. Aufrecht stehend ist er nicht größer als einen halben Meter, aber er hat den herzzerreißendsten, durchdringendsten Ruf in ganz Afrika.
    Er beginnt lange vor der Dämmerung zu rufen, und es klingt, als würde eine Frau oder ein Kind untröstlich schluchzen.
     
     
    G relles Morgenlicht bohrte sich durch seine Lider. Jack verzog das Gesicht, als er versuchte, den Kopf vom Kissen zu heben. Sein ganzer Körper tat weh. Beim zweiten Versuch bewegte er sich langsamer. Sonnenlicht fiel durch die Fliegentür auf einen Haufen nasser Kleidung – seine. Malaika war nicht in ihrem Bett, aber das Bett war seltsamerweise bereits ordentlich gemacht.
    Er schob das Laken zurück und stellte vorsichtig einen Fuß auf die Bambusmatte am Boden. Sein Kopf dröhnte, als er sich hinsetzte. Er stellte den anderen Fuß neben den ersten und bewegte die Zehen. Dann stützte er sich einen Augenblick auf Malaikas Bett, bevor er aufstand.
    Nackt ging er zur Tür, eine Hand über den Augen, um sie gegen den hellen Osthimmel abzuschirmen. Der Morgen war klar. Die Luft war vom Unwetter gereinigt, und er sog sie tief in sich hinein, versuchte, den bitteren Geschmack im Mund loszuwerden. Die scheinbar

Weitere Kostenlose Bücher