Die Tränen der Massai
Bears Geschichten über russische Soldaten auf, die während der Besetzung von Berlin konfiszierten Schnaps getrunken hatten und davon blind geworden waren.
Werde ich blind?
Das war der Gedanke, der ihm den Weg entlang folgte, den sehr langen Weg ohne vertraute Kennzeichen.
Eine Ranke griff nach seinem Fuß, und als er auf einem Bein hüpfte, um sie zu lösen, verlor er das Gleichgewicht, und der Boden unter ihm verschwand.
Einige Zeit später erwachte er voller Angst. Regen tropfte ihm in den offenen Mund. Er hustete, würgte, und sein Kopf platzte beinahe, als er Galle und beißenden Alkohol erbrach. Als das Würgen nachließ, drückte er vorsichtig eine Hand an die Schläfe und wandte das Gesicht dem Regen zu. Es fühlte sich gut an. Er ließ den Regen in den Mund laufen, dann hustete er und spuckte. Ihm wurde schwindlig und wieder übel, also musste er warten, bis sein Kopf klar genug war, dass er auf die Knie hochkommen konnte. Der Regen war sauber. Kühl.
Seltsamer Nebel schwebte ein paar Fuß über dem Weg. Oder war es Dampf, der entstand, wenn die Regenspeere die heiße rote Erde trafen? Die Bananenbäume schienen zu flackern wie beschädigte Neonlampen an einer dunklen Straße, wenn ihre glänzenden nassen Wedel die Höllenblitze widerspiegelten. Der Donner war nur ein brüchiges Krachen, als Jack aus dem Graben auf den Weg zukroch. Der rote Schlamm war glitschig, und es fiel ihm schwer, auf die Beine zu kommen.
Als er endlich den Weg erreichte, versuchte er, entschlossen aufzustehen, aber wieder wurde ihm schwindlig, der Boden kippte zur Seite, und er fiel auf den Rücken. Der Weg, die Bananenbäume und die ganze schattige Welt bewegten sich wie eine Achterbahn durch einen Looping. Es blitzte, ein Bild brannte sich in Jacks Retina, und im gleichen Augenblick traf ihn der Donnerschlag mit fürchterlicher Wucht. Klirrende Taubheit folgte. Es fiel ihm schwer, zu atmen.
Als sich seine Augen wieder an die Dunkelheit angepasst hatten und erneutes Donnergrollen das Klirren in seinen Ohren ersetzte, versuchte er, ein wenig Realität in seine Umgebung zu blinzeln. Der Nebel wehte um ihn herum und vermischte sich mit dem Nebel in seinem Kopf. Es war alles durcheinander. Nebel. Er ertrank in einer Wolke.
Zwei riesige leuchtende Augen kamen im Dunkeln auf ihn zu. Sie hielten nur ein paar Schritte entfernt inne. Wieder blitzte es. War das ein weißer Elefant? Er kniff die Augen zu. Als er sie wieder öffnete, glitt eine große schwarze Gestalt vom Elefanten herab und wurde von dem wirbelnden Strom des höllischen Regens über dem Pfad in der Schwebe gehalten. In dieser surrealen Landschaft wurde das Bizarre normal. Die afrikanische Prinzessin beugte sich über ihn, während die riesigen, blendenden Augen ihres gehorsamen Elefanten ohne zu blinzeln auf ihn gerichtet blieben.
Schwarzer Himmel und zuckende Blitze. Silberne Pfützen auf schwarzem Weg. Ein blendender, teuflischer schwarzweißer Sturm. Selbst Malaika war eine fotografische Studie in Schwarz und Weiß. Ein Negativ, gefolgt von einem Foto. Eine schwarze Malaika, dann donnerte es, dann sah er eine weiße. Ihr besorgtes Stirnrunzeln wurde von einem weiteren Blitz betont. Silberne Linien auf schwarzer Leinwand.
Sie beugte sich über ihn, und Wasser lief von ihrem Gesicht auf seines. Er versuchte zu sagen:
Ich liebe den Geschmack deiner Haut,
als sie das Wasser von seiner Stirn wischte, aber er wurde nach oben gezogen.
Nach oben.
Durch den Nebel hindurch in eine wirbelnde Wasserhose gehoben, trieb er hinter ihr her.
Mit majestätischen Massaischritten ging sie voraus zu ihrem Elefanten. Der Elefant öffnete sich und verschlang ihn. Ein Beben ging durch den Elefantenkörper, als ein Donnerschlag das Rauschen des Regens zerriss.
Die Allee von Bananenbaum-Neonlichtern flackerte noch einmal und erlosch dann.
Malaika beugte sich über das Lenkrad und lenkte den Landrover durch die Dunkelheit. Tingisha saß neben ihr und gab ihr mit kaum wahrnehmbaren Gesten die Richtung an. Einmal ließ er sie nur um Haaresbreite vor einer überfluteten Elefantensuhle anhalten, die nun vom Unwetter in eine Treibsandgrube verwandelt worden war. Die Scheibenwischer peitschten Regengüsse vom Glas.
Swock-swock-swock.
Ihr Metronomschlag stellte für den Zorn des Unwetters keine Herausforderung dar.
Es hatte immer weiter gegossen, seit Tingisha Jack irgendwie aus dem Landrover gezogen und aufs Bett gelegt hatte. Malaika hatte sich auf dem Rückweg zur
Banda
Sorgen um ihn
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