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Die Tränen der Prophetin: Roman (German Edition)

Die Tränen der Prophetin: Roman (German Edition)

Titel: Die Tränen der Prophetin: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jocelyne Godard
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konnte Alix sie nicht als Sklaven halten in einem Land,
in dem es keine Sklaven gab. Sie hatte ihnen erklärt, sie sollten für sie arbeiten und gegen Bezahlung kleinere Aufgaben in ihrem Haus in der Stadtmitte von Tours übernehmen.
    Ehe sie Genua verließen, hatte ihnen Alix ordentliche Kleider gekauft, weil sie nur ihr Sklavengewand besaßen. Für Tania hatte sie ein blaues Satinkleid ausgesucht, das dem von Angela ähnlich sah, und für Theo Hosen, ein Hemd und eine gelbe Jacke, wie Leo sie trug.
    Alix hatte nicht vor, die beiden in ihrem Haus an der Place Foire-le Roi unterzubringen, in dem die Bertille und Lisette den Haushalt erledigten, sondern in dem Haus am Hauptplatz, das Alessandro ihr zur freien Verfügung überließ. Wenn sie erst wieder in Frankreich waren, würde sie schon sehen, wozu die beiden zu gebrauchen waren. Das hing ganz von ihren Begabungen und Fähigkeiten ab.
    Sollten sie gute Musiker sein, wollte Alix ein Cembalo, eine Laute und eine Zither kaufen und vielleicht sogar einige orientalische Instrumente zum Klappern. Das junge Paar sollte ihr die Musik nahebringen, die ihr noch ganz fremd war.
    Aber jetzt dachte sie nicht an die beiden. In Gedanken war Alix schon bei Alessandro. Es war sehr warm, als sie mit ihrem Wagen in Pisa eintrafen. Sie fuhren an der großen romanischen Kathedrale, dem schiefen Turm und dem Camposanto vorbei, einem Friedhof mit freskengeschmückten Arkaden, und das metallische Quietschen der Wagenräder hallte durch die engen, gepflasterten Gassen.
    Der Reiter, der sie nach Pisa geführt hatte, drehte sich immer wieder um und vergewisserte sich, dass alles in Ordnung war. Ab und an machte er sie auf besondere Sehenswürdigkeiten wie eine kleine Felsenbucht, einen Dom mit goldener Kuppel oder eine Reihe Pinien auf einem Hügel aufmerksam.
    Weil Constance nicht bei ihnen war und ihre Kutsche vier Plätze hatte, ließ Alix Tania holen und auf der Bank ihr gegenüber Platz nehmen. Zunächst sagte Tania nicht viel und begnügte sich damit, Alix schüchtern anzulächeln, aber ihre Haltung war so anmutig wie die einer Prinzessin. Nach ein paar Stunden verlor sie etwas von ihrer Scheu und begann endlich in ganzen Sätzen von ihrer Zeit im Harem des Sultans zu erzählen.
    Wenn Tania nicht mit Gesang und Musik beschäftigt war, kümmerte sie sich um die Blumen im Garten, reichte den Frauen die silbernen Wasserkrüge, damit sie sich Hände und Füße erfrischen konnten, frisierte und parfümierte sie und schminkte ihre Mandelaugen mit Kajal.
    Als ihnen der Reiter plötzlich mitteilte, dass sie kurz vor ihrem Ziel waren, steckte Alix den Kopf aus dem Fenster und rief Leo zu, dass sie aussteigen, Jason ausspannen und sich Sire Van de Veere hoch zu Ross präsentieren wollte.
    Dann sah sie auch schon das Aushängeschild von dem Gasthaus, in dem sie wohnen sollte.
    Kaum war sie vom Pferd abgestiegen, als es wie ein Wirbelsturm über sie hereinbrach, und Sekunden später küsste sie Alessandro leidenschaftlich auf den Mund. Er umarmte sie und drückte sie so fest an sich, dass sie zu ersticken drohte, und rief schließlich bester Laune:
    »Sag deinen Leuten, sie sollen zusehen, wie sie sich die Zeit vertreiben. Bis morgen früh gehörst du mir.«

21.
    Florenz steckte voller Überraschungen für Alix. Die Lage am Arno und die vier Brücken, die sich elegant über den Fluss schwangen, erinnerten sie sehr an Paris. Die Florentiner waren ein anderer Schlag als die Genueser und legten Wert auf ihre alten Traditionen. Der Himmel spannte sich in dem vorwitzigen Azurblau über die Stadt, das die Illuminierer im vergangenen Jahrhundert gern auf ihre großen Pergamentbögen aufgetragen hatten.
    Ein großer Unterschied zu Genua bestand in dem ausgeprägten Sinn der Florentiner für die Kunst der Antike, den Alix schon bald für sich entdecken sollte. Die gesamte griechische Mythologie begegnete einem in Fresken, die manchmal die gesamte Front einer Kirche oder eines Palazzo bedeckten. Die weltlichen und zum Teil eindeutig heidnischen Themen der Kunstwerke bildeten einen seltsamen Kontrast zu der andächtigen Verehrung, die sie für Christus, die Jungfrau Maria und die Heiligen ausdrückten, und ihrem fast noch größeren Bedürfnis, diese künstlerisch darzustellen.
    Alessandro, Alix und ihr kleiner Tross waren am Vortag eines Maskenballs in Florenz eingetroffen, und man ahnte schon das lebhafte Treiben, das am nächsten Morgen die ganze Stadt überkommen sollte.
    »Ich würde gern ein wenig

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