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Die Tränen der Prophetin: Roman (German Edition)

Die Tränen der Prophetin: Roman (German Edition)

Titel: Die Tränen der Prophetin: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jocelyne Godard
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durch die Stadt spazieren, Alessandro. Angela begleitet mich sicher mit Vergnügen.«
    In Wirklichkeit wollte Alix den Augenblick hinauszögern, in dem sie in seinem Haus zur Zielscheibe der Leute gemacht wurde.
Sie wusste, dass die Dienstboten keine Nachsicht kannten und sie einer kritischen Prüfung unterziehen würden.
    »Ich habe Angst, dass Ihr euch verlauft.«
    »Bestimmt nicht, wenn wir Leo dabeihaben. Er hat einen ausgezeichneten Orientierungssinn und würde sich sogar in der Wüste zurechtfinden.«
    »Florenz ist aber eine große Stadt.« Alessandros Zweifel waren noch nicht ausgeräumt.
    »Hier kann ich doch jeden nach deinem Haus fragen«, entgegnete Alix.
    »Also gut, überredet. Dann gehe ich zuerst nach Hause und bereite die Dienstboten auf deinen Empfang vor. Danach mache ich einen Besuch im Palazzo Medici, um mich zurückzumelden und meine Söhne zu sehen.«
    »Lass dir ruhig Zeit, Liebster.«
    Sie umarmten und küssten sich ohne Rücksicht auf die Passanten, die ohnehin nicht auf sie achteten, und wünschten sich einen schönen Tag.
    Sobald sie in die Nähe des Ponte Vecchio mit seiner überdachten Brücke kamen und sahen, wie das Rosa der Ziegel mit dem Licht der aufgehenden Sonne zu einem diffusen, blasslilafarbenen Licht verschmolz, waren Alix und Angela von dieser fremden Stimmung gefangen.
    Leo und Tania folgten ihnen im Wagen und bahnten sich einen Weg durch die Menschenmenge, die immer dichter wurde. Tania war aber auch bald so fasziniert von den fröhlichen Menschen, dass sie ausstieg und mit den beiden anderen Frauen zu Fuß durch die Straßen ging.
    Sie wusste gar nicht, wohin sie zuerst sehen sollte. Da sie bisher nur Konstantinopel, Genua und Pisa kannte, war sie von jeder neuen Gasse begeistert, so viel Interessantes gab es zu entdecken.
    Die Menschen drängten sich vor den Tischen der Geldwechsler und den Ständen der Gemüsehändler, der Brotmeister und der Fischverkäufer und vor den Geschäften der Apotheker, der Barbiere und der Schneider. An allen Ecken und Enden hörte man die Wirte ihren Wein und ihren Schinken anpreisen, und an beinahe jeder Straßenecke ertönten Kirchenglocken.
    Mitten in der Stadt ragte der Palazzo della Signoria wie der Donjon über einem Schloss in den Himmel. Ein mächtiges Viereck aus Unmengen grauer Steine mit kleeblattförmigen Fenstern, rundum gekrönt von einem Sims mit Zinnen. Zu dem Gebäude gehörte ein hoher, zweistöckiger Turm, von dem aus die Späher gute Sicht auf das Umland mit den Zitronenbäumen und den knorrigen Olivenbäumen hatten.
    Vor dem Palazzo waren die Vorbereitungen für den Maskenball in vollem Gange.
    Die heimlichen Herren von Florenz, zu denen auch die Gonfaloniere gehörten, hatten nur eins im Sinn: die wirtschaftliche Vormachtstellung der Stadt im Handel mit Leinen, Wolle und Seide zu sichern.
    Alix und ihren Begleiterinnen wurde es nicht langweilig, und sie lernten nach und nach die Bedeutung der einzelnen Stadttore kennen, die von circa sechzig schlanken viereckigen Türmen gekrönt wurden. Durch diese befestigten Tore gingen entweder Aristokraten oder einfache Leute ein und aus, und jeder fand so den Weg, der für ihn bestimmt war.
    Die Porta al Prato, durch die man zum Stadion kam, in dem die Pferderennen veranstaltet wurden, passierten die Pferdeknechte und die Gespanne, die sich auf die Feierlichkeiten und die Wettkämpfe vorbereiteten. Durch die Porta della Giustizia, vor der die Verbrecher hingerichtet wurden, schritten die Männer des Gesetzes, die Soldaten und die Verurteilten mit den Gerichtsherren. Die
Porta della Croce führte in das Geschäftsviertel. Handwerker und Kaufleute, Bankiers, Makler und Geldwechsler gingen hier ein und aus. Durch die Porta San Gallo schließlich, neben der zu Zeiten von Lorenzo Magnifico das Augustinerkloster erbaut worden war, gingen Mönche und Prälaten ihren seelsorgerischen Pflichten nach.
    Die Straßen von Florenz waren bis zum Dom gepflastert, weil er das geistliche Zentrum der Stadt darstellte. Neben dem Dom ragte der mehrfarbige Campanile in den Himmel, und gleich gegenüber konnte man die unvergleichlich schönen Bronzetore der Kathedrale San Giovanni bewundern.
    Die drei Frauen steuerten auf die prächtigen Palazzi zu, die den wahren Reichtum der Stadt widerspiegelten. Als Alix vor dem Palazzo Medici stand, in dem die zwei Söhne von Alessandro lebten, wich sie unwillkürlich zurück. Bestimmt traf er sich dort auch mit der Maîtresse, die man ihm nachsagte. In Florenz

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