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Die Tränen der Prophetin: Roman (German Edition)

Die Tränen der Prophetin: Roman (German Edition)

Titel: Die Tränen der Prophetin: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jocelyne Godard
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machte man daraus keinen Hehl. Die Frauen waren hier frei und selbstbewusst, und wenn sie einen Liebhaber wollten, hielten sie damit nicht hinterm Berg. Alessandro konnte ihr noch so viel erzählen, Alix spürte, dass dort eine Frau auf ihn wartete.
    Sie besah sich das große Gebäude, das wuchtig und düster wirkte. Innen war es angeblich eine einzige Pracht aus leuchtenden Fresken, Intarsienmöbeln, verzierten Konsolen, byzantinischen Spiegeln, Bronzeengelchen und geschnitzten Truhen mit antiken Szenen.
    In Erwartung des großen Maskenballs waren alle Leute wie aus dem Häuschen. Bei Einbruch der Dunkelheit wurden die stattlichsten Häuser taghell erleuchtet. Der Ball fand auf den öffentlichen Plätzen statt, wo der Wein in Strömen floss.
    Es war noch nicht ganz Mitternacht, als die Glocken in den Campanile zu läuten begannen. Die Glöckner rissen sich fast die Arme aus und waren ganz außer Atem, wenn sie mit dem Seil erst nach
oben gezogen wurden und dann unsanft wieder auf dem Boden landeten. Von den Olivenhainen auf dem Land ertönten das fröhliche Geklingel und der unermüdliche Brummbass als Echo zurück.
    Beinahe an jeder Straßenecke hatten sich Musiker niedergelassen und stimmten ihre Instrumente. An den Fassaden hingen bemalte Leinwände. Fähnchen und Banderolen bewegten sich nur sacht, weil es fast windstill war.
    Alix wusste, dass sie nicht an dem Fest teilnehmen würde. Angela wollte mit Leo Tania und Théodore begleiten, die sich bestimmt sehr für die Musiker interessierten. Sie gedachte die ganze Nacht in den Armen von Alessandro zu verbringen, was ihr tausendmal lieber war.
    In den Straßen drängten sich immer mehr Menschen, von denen die meisten bereits festlich gekleidet waren. Überall flatterten Banner mit dem Wappen von Florenz, einer roten Lilie, und die unterschiedlichsten Gerüche benebelten die Sinne der feierlustigen Menge.
    Auf der Piazza vor der Kirche Santa Croce, deren rosa Ziegelsteinfassade mit großen bunten Seidentüchern verhängt war, versammelten sich jetzt zahlreiche Musiker und bliesen in lange silberne Trompeten. Sie verkündeten den Beginn des Festes und übertönten bald alle anderen Geräusche der Stadt. Überall regnete es Konfetti und Papierschlangen. Immer wieder stießen die drei Frauen mit fliegenden Händlern zusammen. Alix hatte ein wachsames Auge auf ihre Begleiterinnen, als sie plötzlich ein Bandhändler ansprach:
    »Guten Tag, schöne Frau! Wollt Ihr nicht Eure Haube abnehmen? In Florenz tragen die hübschen Damen keine Kopfbedeckung. Tretet näher! Für wenige Sous macht Euch meine Tochter eine hübsche Florentiner Frisur, und Euer Liebster will Euch garantiert nicht mehr anders sehen.«
    Bei dem Gedanken an Alessandro und ihre leidenschaftliche Nacht in Pisa, bei der die hübsche Frisur kaum lange halten würde, musste Alix lachen. Ein junges Mädchen mit Kämmen, Bürsten, Bändern und silbernen und goldenen Schnüren kam auf sie zu.
    »Ohne Band kostet es zwei Florin, mit Bändern drei, vier Florine mit Bändern und Goldschnüren. Was wollt Ihr haben, schöne Frau?«
    »Wir werden sehen.«
    Der Bandhändler zog sie hastig an seinen Stand und ließ Alix auf einem Hocker Platz nehmen. Gleich war seine Tochter zur Stelle und machte sich an ihrem Kopf zu schaffen. Zuerst zog sie die Nadeln aus den Haaren, mit denen die Haube festgesteckt war.
    Alix blieb gar nichts anderes übrig, als sich die Prozedur gefallen zu lassen, also begab sie sich mit einem Seufzer in die geschickten Hände der jungen Coiffeuse. Ruckzuck war die Haube weg und ihr schönes Haar offen.
    »Ihr habt wunderschöne Haare, Madame«, sagte das Mädchen mit Kennermiene. »Für das Fest heute Abend braucht Ihr eine ganz besondere Frisur. Und die bekommt Ihr von mir, das verspreche ich Euch.«
    Sie nahm ein paar lange Strähnen, drehte sie und steckte sie hoch. Dann flocht sie dicke und dünne Zöpfe und ließ einen Teil der Haare offen.
    »Eure Haarfarbe ist einzigartig. Etwas rötlicher und dunkler als unser Florentiner Blond. Mit den Goldschnüren werden Eure Haare glänzen wie die von unseren italienischen Madonnen. Ich will aber auch etwas Silberband und ein schwarzes Samtband verwenden. Das passt alles wunderbar zu Eurem Haar.«
    Sie bändigte die Locken, kämmte und flocht und befestigte sie mit Nadeln. Der Bandhändler war hingerissen.
    »Ach, ist es ein Vergnügen zuzusehen, wie sich ein hübscher Kopf in den geschickten Händen meiner Tochter verwandelt. Gleich ist es so weit,

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