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Die Tränen der Vila

Die Tränen der Vila

Titel: Die Tränen der Vila Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Jaedtke
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habt, was Ihr nur ungern zurücklasst. Ist es ein Mädchen?“
    Sein Scharfsinn überwältigte mich derart, dass ich jeden Widerstand aufgab und mit gesenktem Kopf nickte.
    Graf Adolf seufzte. „Ich verstehe. Seltsam sind die Wege Gottes. Wir kamen in dieses Land, um die Religion der Liebe zu verbreiten, doch der Liebe zwischen den Menschen ist sie oft nicht förderlich. Es wird Euch nichts anderes übrigbleiben, Jungherr, als heimzukehren und Euren Schmerz zu vergessen.“
    „Aber unser Heiland sagt doch: Liebet Eure Feinde!“, wagte ich zu entgegnen.
    „Ja, das sagt er“, bestätigte Graf Adolf nachdenklich. „Aber er sagt auch: Ich bin nicht gekommen, Frieden zu bringen, sondern das Schwert. “ Er klopfte auf sein eigenes Schwert, das in einer prächtigen Scheide aus rotem Leder steckte. „Diese Prophezeiung hat sich vielleicht getreulicher erfüllt als manche andere.“
    Er seufzte abermals, in Gedanken sichtlich nicht mehr bei mir, sondern bei eigenen Angelegenheiten. Hartmann räusperte sich leise, trat an meine Seite und griff mich beim Arm.
    „Wie wollten Eure Gnaden nicht mit unseren Sorgen beschweren“, sagte er. „Bitte vergebt meinem Knappen, und seid nochmals meiner tiefsten Dankbarkeit versichert.“
    Graf Adolf fuhr wie aus einem Traum hoch und nickte. „Geht mit Gott“, sagte er. „Und findet Euch morgen früh, wenn wir aufbrechen, bei meinem Zelt ein. Ich werde Euch auf einem meiner Trosswagen reisen lassen, da ich weiß, dass Ihr mit Eurer Verletzung nicht reiten könnt.“
    Und bevor Hartmann sich ein weiteres Mal in Dankesbezeugungen ergehen konnte, wandte der Graf sich um und schritt davon.
    „Ist dir klar, was das bedeutet?“, fragte Hartmann auf dem Rückweg zu unserem Lagerplatz. „Ich habe ein Auskommen und einen sicheren Alterssitz – und du bekommst in jungen Jahren schon eine Stellung, um die andere sich ein Leben lang vergeblich mühen! Wenn der Herzog einwilligt, beerbst du mich vielleicht eines Tages und wirst selber Gutsherr!“
    Er hielt inne, schien endlich zu bemerken, dass ich seine Feierstimmung nicht im Mindesten teilte, und verstummte. Die unerwartete Erfüllung seines Herzenswunsches hatte ihn kurzzeitig blind für den meinen gemacht. Während unseres Gesprächs mit dem Grafen war er wieder ganz der Alte gewesen, wie ich ihn vor unserem Abenteuer in den Wäldern gekannt hatte: ehrgeizig, beflissen und stets auf seinen Vorteil bedacht. Nun jedoch verfiel er, gleich mir selbst, in Schweigen.
    Als wir unseren Lagerplatz erreichten, bat ich in knappen Worten, mich eine Weile entfernen und im Lager herumgehen zu dürfen. Hartmann stimmte zu und meinte, ein Spaziergang würde mir gewiss guttun. So wanderte ich zum östlichen Rand des Lagers bis ans Ufer des Sees.
    Hier harrte ich bis zum Abend aus, wandte das Gesicht nach Osten und beobachtete, wie die Dämmerung über den Horizont kroch. Es war vollkommen windstill. Der See lag wie ein polierter Spiegel unter dem dunkler werdenden Himmel, und die Wälder am gegenüberliegenden Ufer bildeten einen zerzausten Wall aus düsterem Grün.
    Lange Zeit stand ich hier in der Einsamkeit, und meine Gedanken kreisten. Ich hätte einfach drauflosgehen können, am Seeufer entlang und hinein in den Wald, ohne dass jemand mich zurückgehalten hätte. Ich stellte mir vor, wie es wäre, in der Wildnis zu wandern und nach Lana zu suchen. Früher oder später würde ich auf wendische Bauern treffen, und da ich die Landessprache beherrschte, könnte ich Fragen stellen. Doch kein Mensch war am Leben geblieben, der sie kannte oder von ihrem Schicksal wusste. Die unbekannten Weiten des Ostens waren nie vermessen oder auf Karten festgehalten worden, und so mochte ich jahrelang umherirren, ohne jemals auf einen Menschen zu stoßen, der Lana gesehen hatte. Und was würde sie tun – ein noch junges Mädchen, gleichfalls allein in der Wildnis? Wartete sie auf mich, oder wanderte sie weit fort und bat in irgendeinem fernen Dorf um Aufnahme? Würde sie mich vergessen?
    Ich kam zu keinem Schluss. Nicht einmal Gott konnte ich um Rat bitten, denn Graf Adolfs Worte hatten mir schmerzlich bewusstgemacht, dass der Allmächtige kein Freund der Liebe zwischen Christen und Heiden war. Dennoch: Ich hätte nur einen Fuß vor den anderen setzen müssen, und meine Liebe hätte mich getragen und vielleicht ans Ziel geführt – vielleicht auch in den Tod, gewiss, doch was bedeutete der Schrecken des Todes angesichts der Liebe? Meine Suche wäre einsam und

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