Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Die Traenen Des Drachen

Titel: Die Traenen Des Drachen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Bull-Hansen
Vom Netzwerk:
hätte mir etwas zugerufen und mir Mut gemacht, wenn die Flammen mich zu verzehren begannen. Doch jetzt, da der Rauch emporquoll und die Wärme sich unter meinen Stiefeln ausbreitete, hörte ich nur den Jubel der Kretter.
    Ich wandte mich zum Himmel. Ich wollte nicht sehen, was mit mir geschah. Doch als das Feuer an meinen Beinen leckte, schrie ich. Ich konnte es nicht zurückhalten. Mein Körper begann sich zu winden. Wie gerne wäre ich still gewesen, wie gerne hätte ich es den Krettern verwehrt, mich leiden zu sehen. Ihre Schreie vermischten sich mit dem Prasseln des Feuers, und das Einzige, was ich sah, waren Rauch und Flammen.
    Ich sah nicht, dass sich das Tor am Ende der Felsenbrücke nach außen öffnete, und auch nicht die Felsenkrieger, die mit Speeren und Bogen auf die Kretter zustürmten. Erst als der Pfeilregen über uns herniederging und die Kretter bemerkten, dass sie angegriffen wurden, hörte ich Noj.
    »Wir kommen, Vogelmann!« Das Schreien und Brüllen kämpfender Männer schnitt in meine Ohren.
    Wieder Nojs Stimme. »Halte aus!«
    Dann tauchten zwei Männer in dem Rauch auf, zwei Felsenkrieger. Sie traten in die Flammen, warfen den Pfahl um und zogen mich aus dem Feuer. Dort durchtrennten sie die Riemen, und während der eine Wache hielt, wälzte mich der andere im Schnee herum, zerrte mir die Stiefel von den Füßen und warf Schnee über sie.
    »Kannst du gehen?« Er winkelte meine Beine an und zog mich hoch. Ich bekam meinen Arm über seine Schulter, und so begannen wir, uns in Richtung Felsenbrücke vorzutasten. Um uns herum wirbelten die Krieger, sie schlugen aufeinander ein und stürzten mit blutigen Bäuchen zu Boden. Die Felsenkrieger trugen Schneeschuhe, und mit ihren Speeren war es ihnen gelungen, die Kretter in den Tiefschnee zu treiben, wo sie leichte Beute für die Bogenschützen waren. Ich sah nur einen einzigen Vokker, und der rannte mit Pfeilen im Rücken davon. Auf dem Weg zur Felsenbrücke scharten sich weitere Männer um uns. Unter ihnen war Noj. Er gab uns mit seinem Speer Deckung.
    »Wir mussten erst die Steine wegräumen«, sagte er über seine Schulter hinweg. »Sonst hätten wir früher angegriffen.«
    Ich glaubte schon, wir hätten es geschafft, als wir auf der Felsenbrücke waren, denn hier waren keine Feinde mehr zu sehen. Doch hinter uns, Kinder, hatten die Kretter, die noch am Leben waren, ihre Bogen gespannt, und jetzt sandten sie uns ihren letzten Gruß. Ich hörte ein Summen, wie eine Hummel, die sich plötzlich entschieden hatte, in mein Ohr zu fliegen, und dann kamen die Schreie. Noj sackte, einen Pfeil im Schenkel, in die Knie, und hinter mir stürzten die Felsenkrieger mit Pfeilen in Rücken und Schultern zu Boden.
    »Legt euch hin!« Noj rollte sich auf die Seite. »Legt euch hin, bevor sie wieder schießen!«
    Wir taten, was er gesagt hatte, doch als meine zerschundenen Beine unter mir nachgaben, sah ich, dass die Kretter ihre Bogen zum Himmel richteten.
    »Nein!«, schrie ich. »Lauft!« Ich zog mich mit den Armen nach vorn, ehe sie mir wieder aufhalfen.
    Als die Kretter ihre Pfeile abschossen, hoben die Felsenkrieger die letzten Verwundeten hoch und begannen zu laufen. Die Pfeile flogen in einem hohen Bogen in den Himmel und schossen auf uns hinab, doch dieses Mal wurden nur zwei der Männer getroffen. Sie humpelten mit Pfeilen in den Schultern weiter. Oben auf der Felsenbrücke drehten sich die Felsenkrieger um und schossen zurück. Auch ich bekam einen Bogen. Sie hielten mich aufrecht, während ich die Sehne spannte, und mit reichlich Hass und gutem Zielen traf ich einen Kretter. Zweimal beschossen wir sie mit Jagdpfeilen. Das gab uns Zeit zu fliehen. Auf dem Weg sammelten wir auch die Waldgeister ein, denn mit mir auf dem Scheiterhaufen, sagte Noj, hätten sie keine Zeit gehabt, sich um sie zu kümmern. Dann kletterten wir über die Steine und waren im Innern der Felsenburg.
     
    Die Frauen kümmerten sich um die Verletzten. Viani und Kirgit halfen Noj und mir in die Hütte und zogen uns dort aus. Die Federn an meinen Beinen waren versengt, und schwarze Wunden klafften in der Haut. An meinen Knien waren Blasen, und bei jeder meiner Bewegungen hatte ich stechende Schmerzen. Loke bat mich, still zu liegen, und ging zu Noj hinüber, der sich schreiend hin und her wand, als Viani ihm die Hose auftrennte. Loke erklärte, wie wichtig es sei, den Mut zu bewahren, insbesondere jetzt, da wir die Pfeile herausziehen mussten. Noj habe Glück gehabt, sagte der

Weitere Kostenlose Bücher