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Die Traenen des Mangrovenbaums

Die Traenen des Mangrovenbaums

Titel: Die Traenen des Mangrovenbaums Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne de Witt
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Bewegung mit beiden Armen, als schleuderte er das Thema weit von sich, und sagte barsch: »Wir sind jetzt bald in Buitenhus.«
    Tatsächlich veränderte sich schon bald der Wald um sie. Die Urwaldbäume machten Palmen und Bananenbäumen Platz. Der Pfad mündete in einen breiten, wenn auch bereits kniehoch überwucherten Weg, der von einem blau gestrichenen Holzgeländer gesäumt wurde. Eine graue Äffin – ein Muttertier mit einem Jungen auf dem Rücken – jagte quer über den Weg, blickte hoch und zog erschrocken den Kopf zurück, als sie die Menschen erblickte. Erbost schnatternd schwang sie sich über das Geländer und verschwand samt ihrem kreischenden Sprössling.
    Der Weg erweiterte sich zu einer Einfahrt und endete vor einem Palisadenzaun. Die geschnitzten, scharlachrot lackierten Flügel des darin eingelassenen Tores waren geschlossen. Einen Schutz vor Regen bot ein zierlich geschwungenes, ehemals reich vergoldetes Vordach, von dem als leuchtendes Warnzeichen eine gelbe Fahne hing – die Pestflagge. Auf einer Holzbank saßen zwei Männer in fleckigen Anzügen, Tropenhelme auf dem Kopf. Sie hatten jeder ein langes Gewehr vor sich aufgestellt, die Hände über dem Kolben gefaltet und das Kinn daraufgelegt. Es waren Europäer, wenn auch so braun gebrannt, dass nur ihre Gesichtszüge sie verrieten.
    Als Edgar Zeebrugge heranritt, sprangen sie auf und grüßten ehrerbietig. Er fragte, ob irgendjemand sich der Plantage genähert hätte, und sie schüttelten den Kopf. »Der ehrenwerte Mijnheer Typhus hat besser aufgepasst als wir«, sagte einer auf Holländisch. »Niemand will da hineingehen und mit Bauchweh und Fieber wieder herauskommen.«
    »Wir reiten den Hügel hinauf, damit Mevrouw Vanderheyden den Besitz überblicken kann«, kündigte Zeebrugge an. »Wartet so lange auf uns, wir kehren dann gemeinsam zurück.«
    Er führte die beiden Reiterinnen einen Pfad entlang, der dem Palisadenzaun ein Stück weit folgte und dann steil einen dicht mit Mengkuang und anderen blühenden Büschen bewachsenen Hügel hinaufführte. Von der Hügelkuppe, auf der ein hölzerner Pavillon stand, überblickte man die gesamte Plantage Buitenhus.
    Wie sie da im Sonnenschein des frühen Mittags lag, verriet nur die üppig wuchernde Vegetation rund um Herrenhaus und Nebengebäude, dass ein Unheil geschehen war. Das bunte, mit kitschigen Ornamenten überladene Haus glitzerte im Licht, seine beiden hochgeschwungenen Dachfirste ragten wie die Hörner eines Fabeltiers in den Himmel. Auch die Schuppen und Ställe und die Baracken, in denen der geerntete Kaffee weiterverarbeitet wurde, machten einen alltäglichen Eindruck. Anders stand es um die Plantage. Anna Lisa verstand nichts von Kaffeeanbau, aber sogar sie konnte erkennen, dass die empfindlichen Pflanzen verdorrt waren und die Ernte verdorben. Hüfthohes Unkraut wucherte zwischen den Stauden.
    Plötzlich, als ihr Blick eben über die blau-rot-goldene Fassade des Hauses schweifte, stieß sie einen Schreckensschrei aus. In dem verlassenen Gebäude flog im ersten Stock plötzlich ein Fensterladen auf, ein scheußlicher Kopf streckte sich heraus, eine lange graue Hand erfasste den Laden – dann sprang ein Affe heraus, turnte über den schwingenden Laden aufs Dach und hüpfte davon.
    »Mein Gott, bin ich erschrocken!«, stieß sie hervor. »Ich dachte, es geistert. Sind da noch mehr Affen drinnen?«
    Zeebrugge nickte. »Affen, Ratten, Kröten, Schlangen, Skorpione, Käfer … Die Natur holt sich in diesem Land alles sofort zurück, was man nicht Tag und Nacht vor ihr verteidigt. Und wenn die Regenzeit anfängt, verschimmelt das ganze Haus samt seiner Einrichtung. Es wird ein hartes Stück Arbeit bedeuten, wenn Sie Buitenhus retten wollen.«
    Dann werden wir es wohl aufgeben müssen, dachte Anna Lisa. Sie konnte sich absolut nicht vorstellen, wie Simeon es jemals schaffen sollte, dieser Katastrophe Herr zu werden, selbst wenn er willens gewesen wäre, etwas zu tun. Das Beste war wohl, so rasch wie möglich wieder an Bord der Anne-Kathrin zu gehen und nach Deutschland zurückzukehren.
    »Ich schlage vor«, sagte Mijnheer Zeebrugge, »wir reiten jetzt zu meinem Gut und essen dort zu Mittag. Wenn die größte Hitze vorbei ist, bringe ich Sie nach Batavia zurück. Dann werden Sie ja sehen, was Ihr Gatte zu dem Ergebnis Ihrer tapferen Expedition sagt.«
    Es klang verächtlich, und Anna Lisa wusste sehr wohl, was er meinte: Was soll der arme Narr schon sagen?
    Die Beleidigung galt Simeon,

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