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Die Traenen des Mangrovenbaums

Die Traenen des Mangrovenbaums

Titel: Die Traenen des Mangrovenbaums Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne de Witt
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Bartpomade schmeckender Kuss in der Kirche einfiel und sie lächeln musste, bevor ihr Gesichtsausdruck sie am Ende verriet.
    Herr Zeebrugge erkundigte sich höflich, ob es sie störte, wenn er rauchte, und entschuldigte sich mit seinen »rauen ländlichen Sitten«. Als sie die Erlaubnis erteilte, ließ er sich eine lange holländische Meerschaumpfeife mit bunt bemaltem Kopf bringen und füllte sie mit einem stark aromatisierten Tabak. Gleich darauf stiegen zierliche Rauchringe auf.
    »Der unerwartete Tod des Herrn Wolkins und die Quarantäne, die über die Plantage verhängt wurde, bedeuten wohl einen schweren Schlag für die Familie Vanderheyden …«, bemerkte Raharjo.
    »Es ist ein geradezu vernichtender Schlag, würde ich sagen«, seufzte Anna Lisa.
    Von da an entwickelte das Gespräch eine eigenartige Choreografie. Man unterhielt sich beschwingt miteinander, aber in einer Weise, dass Herr Zeebrugge gewissermaßen als Dolmetscher diente, obwohl sie doch dieselbe Sprache verwendeten. Raharjo erzählte etwas, Anna Lisa antwortete, doch dabei wandten beide sich an den Gastgeber, als existierte der jeweils andere gar nicht. Die junge Frau fühlte sich auf eine groteske Weise an eine Séance erinnert, bei der das Medium jeweils die unhörbaren Mitteilungen der Geister übermittelte.
    »Wo werden die jungen Herrschaften denn wohnen, da ihr Wohnhaus verseucht ist?«, erkundigte sich Raharjo bei Herrn Zeebrugge.
    Dieser gab die Frage an Anna Lisa weiter, als müsste er sie erst aus einer fremden Sprache übersetzen.
    »Das wissen wir vorderhand nicht«, gab sie zu. »Wir sind ja erst gestern angekommen. Simeon muss sich erst einen Überblick über die Dinge verschaffen.«
    Simeon und »einen Überblick verschaffen«!, dachte sie bitter. Wie wollte dieser hilflose Träumer denn mit der Situation zurechtkommen, überhaupt jetzt, wo er auch noch krank war?
    Herr Raharjo erhob sich und entschuldigte sich beim Gastgeber: Die kleine Erfrischung sei sehr willkommen gewesen, aber nun müsse er den Besuch beenden, er habe noch viele und wichtige Aufgaben zu erledigen. Ohne Anna Lisa zu beachten, verließ er, gefolgt von seinem Pagen, den Salon. Sie hörte draußen Pferde wiehern. Dann zog die Gruppe am Fenster vorbei, gegen den goldglühenden Mittagshimmel anzusehen wie ein Scherenschnitt: Voran Herr Raharjo auf einem unruhigen Hengst, dessen edle Rasse selbst ein mit Pferden wenig vertrauter Mensch erkennen musste, ihm zur Seite auf einem Pony sein Page. Dahinter ritt auf einem Packpferd eine so missgestaltete schwarze Gestalt, dass Anna Lisa erst dachte, sie habe tatsächlich die Verzerrungen eines Schattens gesehen. Aber es war ein Mensch, ein kohlrabenschwarzer Mensch mit nacktem Oberkörper und Pluderhosen an den kurzen, krummen Beinen. In seinem Leibgurt steckten ein Dolch und eine Pistole, um den nackten Oberkörper hing der Riemen eines Gewehrs. Grotesk wie ein Dschinn im Sattel kauernd, ritt er langsam vorbei. Die Hufschläge, die auf dem Vorplatz wie Stein auf Stein klirrten, wandelten sich zu einem weichen Klipp-klopp, als die Pferde auf den blätterbedeckten Weg hinaustraten. Dann verhallten sie.
    Anna Lisa blickte den Reitern nach, bis sie verschwunden waren, dann wandte sie sich mit einer Frage an den Gastgeber. »Ich verstehe eines nicht ganz. Zwar hat mir während der Schiffsreise ein Pfarrer einiges über die Zustände hier erzählt, aber es will sich nach wie vor kein klares Bild bei mir einstellen. Ich hatte den Eindruck, dass die Holländer über Java herrschen und der einheimischen Bevölkerung eine sehr geringe Bedeutung zukommt – dass sie weder viel besitzen noch viel zu reden haben. Aber Herr Raharjo ist doch offensichtlich der Enkel eines sehr reichen und mächtigen Mannes. Sind diese Fürsten denn nun Freunde oder Gegner der Holländer, oder welche Stellung nehmen sie eigentlich ein?«
    »Das zu beantworten ist nicht ganz einfach«, antwortete Mijnheer Zeebrugge. »Wir haben es hier in Java mit einem der kompliziertesten Verwaltungssysteme der Welt zu tun. Aber ich will es Ihnen einmal möglichst einfach erklären. Wenn Räuber über ein Haus herfallen, in dem ein starker Hausherr mit einem Haufen starker Söhne sitzt, dann können die Räuber den Besitzer erschießen und erschlagen und sich im Hause breitmachen. Das hat man ja auch versucht, allerdings musste man feststellen, dass das eroberte Haus voll versteckter Kammern ist, in denen weitere Söhne des Hausherrn darauf lauern, sich bei erster

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