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Die Traenen des Mangrovenbaums

Die Traenen des Mangrovenbaums

Titel: Die Traenen des Mangrovenbaums Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne de Witt
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aber sie war Simeons Frau, und die Worte ärgerten sie so sehr, dass sie herausplatzte: »Nun, das letzte Wort ist noch nicht gesprochen.«
    Nach kurzem Ritt erreichten sie eine Lichtung, in deren Mitte zwei hohe, schmale Häuser auf Stelzen nebeneinanderstanden, ein größeres und ein kleineres, beide mit den charakteristischen steilen Dächern und überhängenden Giebeln. Die Sonne glitzerte auf den dürren Palmblättern, mit denen sie gedeckt waren. Rauch drang aus dem Schornstein des kleineren Hauses und trug mit sich den Geruch gebratenen Fleisches und kräftiger Gewürze.
    Zeebrugge führte Anna Lisa und Fräulein Bertram in das kleine Haus, das die Küche und die Wirtschaftsräume enthielt, und zeigte ihnen den Waschraum, in dem sie den Staub und Schweiß des zweistündigen Ritts abwaschen konnten.
    Erfrischt folgten sie dem Diener hinüber ins Haupthaus, wo im Esszimmer bereits der große Teakholztisch gedeckt war. Ein Holzgitter verschloss das Fenster, durch das der Widerschein der Mittagssonne hereinfiel. »Wenn man hier die Fenster offen lässt«, erklärte der Hausherr, »verputzen die Affen das Mittagessen, ehe man sich noch an den Tisch gesetzt hat.«
    Sie hatten sich kaum zu Tisch gesetzt, als ein Diener hereinhuschte und Zeebrugge etwas auf Malayalam zuflüsterte. Der hob lächelnd den Kopf und wandte sich an Anna Lisa: »Nun werden Sie gleich einen Herrn kennenlernen, der hier eine sehr wichtige Rolle spielt. Er ist der Enkel des Adhipati und erledigt dessen persönliche Geschäfte, da der Fürst selbst schon sehr gebrechlich ist. Er hat immer noch einen klaren Kopf, aber das Reiten wird ihm sauer, und selbst in der Sänfte tun ihm alle Knochen weh.«
    Anna Lisa lauschte. Wie sie selbst wurde auch der Gast erst in den Waschraum geführt und dann ins Esszimmer geleitet.
    Als er eintrat, setzte ihr Herz einen Schlag aus. In der Tür stand, begleitet von einem kindlichen Pagen, ein zierlicher junger Mann von so fremdartiger, so paradiesischer Schönheit, wie sie nie einen gesehen hatte. Bislang hatte sie gedacht, Simeon sei der attraktivste Mann, der ihr jemals begegnet war, aber dieser Jüngling hatte etwas, das ihrem kränkelnden Gatten vollkommen fehlte. In ihm vereinten sich Kraft und Eleganz, wie sie es noch nie bei einem Europäer gesehen hatte. Er war relativ klein wie alle Männer seiner Rasse, und dennoch wäre nie jemand auf den Gedanken gekommen, ihn zu ignorieren. Sie spürte, dass er nicht nur hier, in der kleinen Gesellschaft in dem bescheidenen Landhaus, auf der Stelle im Mittelpunkt stand – dasselbe geschah zweifellos, wenn er sich einer größeren und vornehmeren Gesellschaft anschloss. Er gehörte zu den Männern, die augenblicklich alles Interesse auf sich ziehen durch ihre erstaunliche Kombination von knabenhafter Anmut, männlicher Kraft und einer Dominanz, die Ehrfurcht erweckte. Raharjo war ein Edelmann im ursprünglichsten und vornehmsten Sinn des Wortes. Und er war schön, so unglaublich schön! Es war, als umschwebte ihn eine goldene Aura. Seine Bewegungen, anmutig wie die eines Tänzers und doch beherrscht wie die eines Kriegers – der Duft, der ihn umwehte –, die leise, sanfte, aber sehr selbstbewusste Stimme … Nur seine orange verfärbten Zähne gefielen ihr nicht, aber wenigstens waren sie nicht spitz geschliffen, vermutlich, weil sie von Natur aus sehr klein waren – richtige Perlenzähne.
    Er trug eine blausamtene Bluse und weiße Hose, darüber einen kostbaren, goldgewirkten Sarong und auf dem Kopf eine lose Mütze. Um seine Mitte war eine kunstvoll gefaltete, ebenfalls mit Goldfäden durchwebte steife Schärpe geschlungen, und sie nahm an, dass er, wie Pahti, seinen Kris in den Rückenfalten dieser Schärpe trug. Seine Wangen waren glatt rasiert, aber am Kinn saß ein Büschel schwarzer Wolle.
    Sie wollte nach europäischer Art höflich grüßen, aber er warf ihr nur einen blitzschnellen, fast raubtierhaften Blick zu, dann wandte er den Kopf ab und schien niemand wahrzunehmen außer dem Gastgeber. Anna Lisa war vor den Kopf gestoßen. War sie ihm vielleicht nicht würdig genug, sie zu grüßen? Und auch Herrn Zeebrugge gegenüber benahm er sich seltsam. Dieser hatte ihn den Enkel des Adhipati genannt, also einen Edelmann von hohem Rang, dennoch schlug er den Blick vor ihm nieder wie ein schüchterner Diener. Im Innersten aufgewühlt von der Erscheinung des Jünglings und dennoch unangenehm berührt saß Anna Lisa steif am Tisch und wusste nicht, wo sie

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