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Die Traenen des Mangrovenbaums

Die Traenen des Mangrovenbaums

Titel: Die Traenen des Mangrovenbaums Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne de Witt
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sich in Reih und Glied getrocknete Kürbis-Kalebassen. An Fäden hingen aus Stricken und bunten Wollfasern geknotete Puppen. An den mit Palisander getäfelten Wänden zogen sich, da und dort von einer zierlich geschnitzten Kommode unterbrochen, Apothekerkästen mit teils offenen, teils mit vergoldeten Deckeln verschlossenen Fächern entlang. Die offenen Regale waren gefüllt mit einem Sammelsurium von Kerzen, Wasserpfeifen, Gewürzdosen, Räucherpulvern und Flaschen mit hochprozentigem Alkohol. Dazwischen standen Vitrinen mit schrägen Glasdeckeln. Das Licht mehrerer mit Duftöl gefüllter Ampeln spiegelte sich in zylindrischen Gläsern. Insgesamt war der Geruch, wiewohl aromatisch, in seiner Dichte und Intensität beinahe Übelkeit erregend. Anna Lisa spürte, wie es sie im Hals kratzte. Ein Nebel schien sich auf ihre Sinne zu senken, als würde sie alle die zweifellos potenten Drogen durch den bloßen Geruch in sich aufnehmen.
    Herr Liao schien anzunehmen, dass Simeon ihn seiner Krankheiten wegen zu konsultieren wünschte, denn er führte ihn zu einem bequemen Sofa, ließ von den Dienern einen Hocker bringen, um das verstauchte Bein hochzulagern, und stellte in bemerkenswert fließendem Holländisch Fragen nach Art und Ursache des Unfalls. Während der Hausherr mit seinem Gast beschäftigt war, wiesen die Diener auch den beiden Frauen Sitzplätze an – eher bescheidene Holzhocker – und brachten dann auf einem mächtigen runden Silbertablett Tee herein.
    Simeon hatte nicht vorgehabt, den Chinesen als Arzt zu beanspruchen, aber da dieser von selbst damit angefangen hatte, ließ er es sich gerne gefallen, dass der krumme Wurzelmann so ausführlich auf seine Leiden einging. Innerhalb kürzester Zeit hatte Herr Liao die verschiedensten Kräuter für ihn verpackt: einen Aufguss für das Bad, mehrere Tees und Tinkturen sowie eine Blättermischung zum Auflegen auf die zerschnittene Hand, sobald der Gips davon entfernt werden konnte.
    Anna Lisa, die wusste, dass sie sich auf keinen Fall in das Gespräch unter Männern mischen konnte, ohne als grob unhöflich zu gelten – und ihren Mann zu blamieren –, vertrieb sich die Zeit damit, dass sie an den Apothekerschränken entlangschlenderte und den Inhalt der Fächer, Gläser und Vitrinen betrachtete. Schon sehr bald hoffte sie, sie möge nie in die Lage kommen, einen chinesischen Arzt konsultieren zu müssen, denn die Behälter waren gefüllt mit einem skurrilen Sammelsurium von getrockneten Fledermäusen und Fröschen, farbigen Pulvern aller Art, in Weingeist eingelegten Insekten, verkrümmten Wurzeln und trüben Tinkturen. Sie fragte sich, wie das wohl sein mochte, wenn man einen mumifizierten Frosch als Mittel gegen Zahnschmerzen oder einen in Spiritus schwimmenden Skorpion gegen Magenkrämpfe verordnet bekam. Ihr schauderte. Die Chinesen allerdings schienen diesen Heilmitteln vollstes Vertrauen entgegenzubringen, denn während der Inhaber des Ladens sich um den vornehmen Gast bemühte, hatten die Diener an dem langen, mit rotem Marmor gedeckten Ladentisch alle Hände voll zu tun, ständig neu hereinströmende Kunden zu versorgen.
    Sie schreckte auf, als Simeon sie zu sich rief. »Komm her, Anna Lisa, und sieh dir das an! Herr Liao meint, es würde mich schneller gesund machen als alle Ärzte der Welt.«
    Sie gehorchte. Ihr Mann saß auf dem Sofa, das verletzte Bein von sich gestreckt, und hielt auf dem Schoß einen Behälter aus Ebenholz, knapp eine Elle lang. Er hatte den Deckel aufgeklappt, und einen Augenblick meinte sie, in einen winzigen Sarg zu blicken, denn der mit karmesinrotem Samt ausgeschlagene Kasten beherbergte ein spannenlanges, runzliges, schwarzbraunes Wesen mit einem dicken Kopf und fadendünnen Ärmchen. Es war in rote und weiße Seide gewickelt und mit einem schwarzen Samtumhang bedeckt. Sie spürte, wie ihr Herz nervös zu pochen anfing, so sehr ähnelte das Ding einem verschrumpften Menschlein. Was in aller Welt war das? Die Mumie eines zu früh geborenen Kindes? Dann jedoch ging ihr Atem wieder leichter, denn jetzt erkannte sie das so menschlich aussehende Scheusal. Eine Zauberwurzel war es, ein Galgenmännlein – so genannt, weil es hieß, dass sie nur am Fuße eines Galgens wachsen könne, wo die Erde vom Urin und Sperma eines Gehenkten durchtränkt war. Sie hatte noch nie eines in natura vor Augen gehabt, aber in einem Buch über allerlei Kuriositäten hatte sie ein Abbild der Alraune gesehen, die Kaiser Rudolf II. in seiner Burg zu Prag

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