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Die Traenen des Mangrovenbaums

Die Traenen des Mangrovenbaums

Titel: Die Traenen des Mangrovenbaums Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne de Witt
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Polizei.
    Währenddessen erzählte der Arzt – der sich immer noch darüber ärgerte, dass Simeon dem chinesischen Gift-Orakel vertraute –, dass in Java die absonderlichsten Heilmittel kursierten, nicht nur unter den Chinesen und Einheimischen, sondern auch unter den Europäern. Selbst gebildete Europäer schworen auf Heilmittel, die ebenso gefährliche wie unappetitliche Ingredienzien enthielten. Vor allem Männer, deren Manneskraft nachließ, schluckten bereitwillig die scheußlichsten Mixturen aus Elfenbein, spanischer Fliege, Myrrhe, indischem Hanf, Nashorn-Pulver und dem äußerst giftigen Bleizucker. Und das war noch längst nicht das Schlimmste: Ein Freund hatte ihm einmal, in der Meinung, ihm damit einen Gefallen zu tun, einen Tiegel mit Mumia geschenkt, man stelle sich das einmal vor!
    Simeon spitzte augenblicklich die Ohren. »Haben Sie den Tiegel noch? Würden Sie ihn mir verkaufen?«
    »Mijnheer, Sie werfen Ihr Geld zum Fenster hinaus!«
    »Ich interessiere mich nicht als Mediziner dafür, sondern als Botaniker. Kommen Sie! Wenn Sie ohnehin keine Verwendung dafür haben, kann es Ihnen doch nur recht sein, dass ich es Ihnen abkaufen will.«
    »Meinetwegen«, brummte der Doktor.
    Anna Lisa kam nicht dazu, sich nach den Einzelheiten dieses Handels zu erkundigen, denn kurz darauf erschienen drei Polizeibeamte, die erst den unglücklichen Dieb – der sich immer noch vor Schmerzen krümmte, aber nicht mehr in unmittelbarer Lebensgefahr schwebte – verhörten, dann den Geschenkkorb in Augenschein nahmen und schließlich Fragen stellten.
    »Die Visitenkarte ist zweifellos gefälscht. Haben Sie eine Vorstellung, wer einen Mordanschlag auf Sie verüben könnte?«
    Simeon nickte und erzählte ihnen von der Warnung, die Godfrid ihnen hatte zukommen lassen. Anna Lisa, die still daneben saß, beobachtete, wie die Beamten einander bei der Nennung des Namens Delphine Lafayette verstohlene Blicke zuwarfen. Offenbar war ihnen die Dame in Zusammenhang mit Giftanschlägen ein Begriff.
    Der Ranghöhere der beiden sagte jedoch: »Ich zweifle nicht an Ihren Worten, aber ein Verdacht ist noch kein Beweis.«
    »Soll das heißen, Sie kümmern sich nicht weiter um die Angelegenheit?« Anna Lisas Stimme war scharf.
    »Selbstverständlich kümmern wir uns weiter darum. Aber wie gesagt, es wird nicht einfach sein, den Weg dieses teuflischen Geschenks zurückzuverfolgen – zu wem auch immer.« Dann, als sei ihm ein ganz neues Thema in den Sinn gekommen, fragte er: »Sie sind gut bekannt mit einem Mijnheer Edgar Zeebrugge, wie ich hörte?«
    Himmel, dachte Anna Lisa, in dieser verfluchten Stadt wusste auch wirklich jeder alles von jedem! Sie überließ es jedoch Simeon, zu antworten. Der zog überrascht die Augenbrauen hoch. »Ich verstehe die Frage in diesem Zusammenhang nicht.« Womit er natürlich meinte: Wollen Sie etwa behaupten, Zeebrugge schickte uns vergiftete Leckereien?
    »Mijnheer Zeebrugge gilt als ein Feind seiner eigenen Landsleute«, antwortete der Polizist in gewichtigem Ton.
    »Ach. Ich hatte nicht den Eindruck, dass er mein Feind ist. Und schon gar nicht kann ich ihn mir als Giftmischer vorstellen, der uns mit Kuchen und Wein aus der Welt schaffen will. Wozu auch? Er hat nichts dabei zu gewinnen.«
    »O doch!«, fiel der jüngere Polizist ein, offenbar so erregt, dass er die Sprecherlaubnis seines Vorgesetzten nicht abwartete. »Buitenhus zu gewinnen, wäre ein sehr schöner Preis.«
    »Buitenhus? Der Mann ist kein Kaffeepflanzer. Was will er mit einer verdorbenen Plantage anfangen?«
    »Nun, beispielsweise nach dem Gold graben, das …« Er brach mitten im Satz ab, eingeschüchtert von dem scharfen Blick, den sein Vorgesetzter ihm zuwarf. »So behauptet man jedenfalls«, fügte er lahm hinzu.
    Simeon richtete den fragenden Blick auf den älteren Beamten. »Sieh an, das ist interessant. Unsere Plantage eine Goldmine?«
    »Unsinn«, mischte sich der Arzt ein, der dem Gespräch bislang schweigend gefolgt war. »Gäbe es Gold auf dem Gelände von Buitenhus, so hätte man es längst gefunden. Solche Gerüchte tauchen immer wieder auf, Mijnheer. Kein Wunder – Java ist ein an Bodenschätzen reiches Land, man baut hier Kohle, Kupfer, Zinn, Nickel und Eisenerz ab, und jeder hofft natürlich, dass sich im Boden seines Dorfes oder seiner Plantage eine Millionen schwere Mine verbirgt. Aber in neunundneunzig Prozent aller Fälle bleibt es beim Hoffen.« Da Simeon ihn weiter nur skeptisch anblickte, fuhr er gereizt

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