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Die Traenen des Mangrovenbaums

Die Traenen des Mangrovenbaums

Titel: Die Traenen des Mangrovenbaums Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne de Witt
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fort: »Meinen Sie, Herr Wolkins hätte nicht versucht herauszufinden, ob an der Geschichte etwas dran ist? Er hat Löcher gegraben wie ein Maulwurf. Die ganze Umgebung lachte schon über ihn. Wenn Sie über das Gut reiten, können Sie da und dort noch die Mulden sehen, wo er gebuddelt hat. Aber gefunden hat er kein Körnchen Gold. Nach zwei Jahren gab er auf und widmete seine Kräfte wieder dem Anbau von Kaffee, was auch viel vernünftiger ist.«
    »Ich verstehe. Ja, es gibt viele verfehlte Hoffnungen auf der Welt.« Simeon hatte das Interesse an der mysteriösen Goldmine schon wieder verloren. Er hielt dem Arzt seine eingegipste Hand hin. »Da Sie schon hier sind, können Sie mir den Gips abmachen?«
    »Nicht hier und auf der Stelle, denn ich habe mein Werkzeug nicht mit, aber ich komme gerne am Nachmittag wieder.«
    Damit ging er, gefolgt von den Polizisten. Anna Lisa blickte ihnen misstrauisch nach.
    »Sieht so aus, als hätte niemand hier großes Interesse daran, sich mit Madame Lafayette anzulegen«, bemerkte sie. »Grimassen geschnitten haben sie alle, sobald der Name fiel, aber dann wollten sie uns einreden, Herr Zeebrugge trachte uns nach dem Leben. – Simeon, ich habe Angst. Die Frau muss verrückt sein, genau wie Godfrid sagte. Sie wird es nicht bei einem Anschlag bleiben lassen. Was sollen wir tun?«
    Er zuckte hilflos die Achseln. Dann, mit einer Art kindlichem Trotz in der Stimme, fügte er hinzu: »Ich will aber nicht zurück nach Deutschland.«
    Am späteren Nachmittag erschien der Arzt wieder. Er bedeutete seinem Gehilfen, die Hand des Patienten zu halten, dann machte er sich mit einer kleinen scharfen Säge daran, den Gips zu durchtrennen. Simeon verkniff das Gesicht – die Prozedur schien einigermaßen schmerzhaft, auf jeden Fall aber unangenehm zu sein. Seine Gedanken waren jedoch anderswo. »Haben Sie mir das mitgebracht, wovon wir sprachen?«, fragte er.
    »Ja«, antwortete der Doktor in einem nicht allzu freundlichen Ton. »Aber nur, um Ihnen einen Gefallen zu tun. Ich glaube keinen Fingerbreit an den Humbug.«
    »Ich will nur wissen, welche Pflanzen dieses Gemisch enthält. Haben Sie es mit? Kann ich es sehen?«
    »Erst lassen Sie mich den Gips entfernen.« Er löste die zerschnittenen Stücke ab und befreite die Hand aus ihrer starren Verschalung. Sie sah hässlich aus, käsebleich, feucht und aufgequollen, mit der brennend roten Naht quer über dem Handgelenk, die die Schnittwunde verschloss.
    Pahti eilte mit einem Waschbecken voll warmen Wassers herbei und machte sich daran, die steifen Finger zu baden; dann trocknete er sie ab und massierte sie mit Öl, bis die Haut allmählich wieder glatt wurde und ihre natürliche Farbe annahm.
    »Und jetzt lassen Sie mich das Wundermittel sehen, Doktor.« Simeon schlug kokett wie ein Kind, das ein Geschenk erbettelt, die Augen auf.
    Anna Lisa trat neugierig heran, als die Holzkiste geöffnet wurde. In einem schützenden Kissen aus Holzwolle stand ein Porzellantiegel, so groß wie eine Teedose. Als der Arzt ihn heraushob, las sie auf dem blau gefleckten Hintergrund in zierlich verschnörkelten Lettern die Aufschrift »Mumia«. Das Siegel wurde erbrochen, der Deckel geöffnet, und augenblicklich quoll ein eigentümlicher, beißend würziger und zugleich aschiger Geruch daraus hervor. Anna Lisa sah, dass der Tiegel mit einer spröden, grobblättrigen Substanz gefüllt war, die an Bruchstücke eines Wespennests erinnerte.
    »Was ist das?«, fragte sie.
    Simeon lächelte stolz. Er legte den Zeigefinger auf die Etikettierung. »Ägyptische Mumie. Nach Napoleons Ägyptenfeldzug führten es viele Apotheken, aber inzwischen ist es wieder aus der Mode gekommen.«
    »Was!« Sie prallte zurück. »Das ist eine gemahlene Leiche?«
    »Nein, nur eine Mischung der Harze und Öle, mit denen der Körper unzerstörbar gemacht wurde.« Achselzuckend setzte er hinzu: »Es kann schon sein, dass ein wenig Haut und Knochen mit in die Mühle geraten sind, aber die sind ja nicht giftig.«
    Anna Lisa verdrehte die Augen, wobei sie freilich sorgfältig darauf achtete, dass Simeon die Grimasse nicht sah. War das die Möglichkeit! »Und wofür«, fragte sie mit mühsam beherrschter Stimme, »wird es verwendet?«
    »Pulverisiert und in Wein getrunken soll es gegen alle möglichen Beschwerden helfen.«
    »Dann hoffe ich sehr, dass ich niemals eine dieser Beschwerden bekomme, gegen die es hilft. Eher würde ich mich mit …« Sie schluckte das Wort »Hundefett« gerade noch

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