Die Traenen des Mangrovenbaums
behauptet, ich sei hinter der verdammten Plantage her, um dort nach einer Mine zu buddeln.«
Der Javaner schwieg so lange, dass Zeebrugge schließlich fragte: »Und was geht in Ihrem Kopf herum, mein Freund, dass Sie so wenig Interesse an diesen Neuigkeiten haben?«
»Ich habe sogar sehr viel Interesse daran, deshalb denke ich nach. Sie sagen, die Vanderheydens wollen nicht länger im Hotel des Indes bleiben, verständlich … aber die Plantage ist auch kein Aufenthaltsort für sie. Was meinen Sie – wie würde es einem jungen Paar auf Flitterwochen im Rosenhaus gefallen?«
Zeebrugge kniff die Augen zusammen. »Ein reizender Vorschlag, aber wo ist der Haken dabei?«
»Es gibt keinen Haken. Wir Javaner sind ein gastfreundliches Volk. Das Haus steht praktisch leer. Mein Großvater unternimmt keine Reisen mehr, und ich selbst komme nur dann und wann hier vorbei, um zu übernachten. Warum sollten die Diener den ganzen Tag faulenzen? Sie können sich damit beschäftigen, den Mijnheer und seine kleine Frau zu bedienen.«
Zeebrugge spürte einen leichten Stich im Herzen, als er diese Worte »seine kleine Frau« hörte. Nachdem er Herrn Raharjo nun schon so lange kannte, war ihm der abschätzige Ton vertraut, in dem dieser für gewöhnlich von weißen Frauen sprach, und jetzt fehlte dieser Ton. Ganz offensichtlich reihte der junge Edelmann Mevrouw Vanderheyden nicht in die Kategorie der »weißen Wasserbüffel« ein. Am Ende gefiel sie ihm sogar? Nein, das konnte er sich nicht vorstellen. Und doch …
Rasch lenkte er von dem gefährlichen Thema ab. »Ich frage mich, wann einer den Mut haben wird, der Rangda das Handwerk zu legen.«
»Nicht, solange der Kontrolleur van Schujten sie beschützt. Es ist zwar schon ewig lange her, dass er ihr Liebhaber war, aber …« Raharjo ließ das Thema abrupt fallen. Im Moment war ihm der Gedanke daran peinlich, dass er selbst so dicht an die Giftmischerin herangestreift war. »Kommen Sie!«, schlug er in fröhlichem Ton vor. »Es ist nicht weit in die Stadt, wir können mit den jungen Leuten reden und ihnen eine große Sorge abnehmen. Sie werden uns dankbar sein.«
Zeebrugge stimmte zu, korrigierte jedoch in Gedanken: Die kleine Frau wird dir dankbar sein, das ist es doch, was du meinst!
Nur seine ihm längst zur Gewohnheit gewordene Selbstbeherrschung verhinderte, dass seine Gefühle an der Oberfläche sichtbar wurden. In seinem Inneren aber herrschte Aufruhr. Wie die Dinge lagen, würden die Vanderheydens in Java bleiben; er hatte auch schon von seinen Dienern, die von jedem Einkauf in der Stadt mit frischem Klatsch und Tratsch zurückkehrten, gehört, wie begeistert Simeon von der Flora der tropischen Insel war, sogar den alten Liao hatte er besucht … Edgar Zeebrugge hatte daraufhin seine Meinung korrigiert, dass Simeon ein Schwachkopf sei. Wenn Dr. Liao einem Europäer die Ehre erwies, über Stunden hinweg mit ihm zu plaudern, dann musste er auf seinem Fachgebiet wirklich außergewöhnlich beschlagen sein. Ein schwieriger Charakter, aber ein brillanter Verstand …
Und nun hatte Raharjo diese Idee, die Vanderheydens im Rosenhaus einzuquartieren. Das hieß, sie würden Nachbarn sein, doppelt verbunden durch die örtliche Nähe und die Freundschaft der beiden Hausherren. Und auch wenn Herr Raharjo einen tüchtigen Hauswart und eine zuverlässige Dienerschaft hatte, würde es Frau Vanderheyden doch freuen, neben ihrem ständig mit seinen Blumen beschäftigten Mann einen Deutsch sprechenden Weißen zur Gesellschaft zu haben.
In allen Ehren, natürlich.
Das Rosenhaus
A nna Lisa pochte das Herz im Hals, als ein Diener mit der Meldung erschien, Herr Zeebrugge und sein Freund, Herr Raharjo, wollten die Vanderheydens in einer sehr wichtigen Angelegenheit sprechen. Das Blut schoss ihr in die Wangen, als sie daran dachte, den jungen Edelmann wiederzusehen, aber es gelang ihr, Simeon vorzutäuschen, dass ihre Erregung bloße Neugier war. »Was können sie von uns wollen? Was gibt es so Wichtiges?«
»Lass uns abwarten, dann erfahren wir es.«
Die Gesprächspartner warteten in einem der abgetrennten Räume jenseits des Speisesaales auf sie, in denen man sich zu vertraulichen Geschäftsessen traf; außerdem blieb auf diese Weise die seltsame Etikette gewahrt, dass man im Hotel des Indes eben als Weiße unter sich blieb, mochte der farbige Gast auch noch so hohen Ranges sein. Es war aber ein sehr vornehmes Separee, in das man sie führte, und das wichtige Gespräch fand im
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