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Die Traenen des Mangrovenbaums

Die Traenen des Mangrovenbaums

Titel: Die Traenen des Mangrovenbaums Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne de Witt
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rekrutieren. Aber die Reichen wollen sich lieber mit den Eroberern gutstellen und ihren Reichtum behalten, als ihn in einem blutigen Aufstand aufs Spiel zu setzen. Und dann gibt es Menschen wie den Fürsten, die einfach gerne mit allen im Frieden leben und von allen Seiten profitieren. Das klingt jetzt zynisch; allerdings muss man zu seinen Gunsten sagen, er ist ein sehr alter Mann und überhaupt mehr Gelehrter als Politiker oder gar Kriegsherr. Ich habe mich mächtig bei ihm eingeschmeichelt, als ich ihm eine Sammlung lithografierter Blätter mit europäischen Menschentypen zum Geschenk machte – er besitzt nämlich eine mit orientalischen. Sie sollten sein Kunstkabinett sehen, da würde mancher europäische Fürst, der nur ein besserer Landsknecht ist, Maul und Augen aufreißen!«
    Ein schwarzer Schatten zog über sein Gesicht, und der vom dichten Schnurrbart beschattete Mund verzerrte sich zu einer erschreckenden Grimasse. »Ja, die europäischen Herren! Was dachten die, was sie hier vorfinden würden, als sie mit ihren hohen Schiffen und großmäuligen Kanonen ankamen? Halbaffen, die auf den Bäumen herumklettern und sich mit Muschelketten schmücken? Als der Admiral Cornelis de Houtman, ein halber Seeräuber, mit seiner Flotte 1596 in Banten landete, fand er dort ein mächtiges Sultanat vor, die bedeutendste Stadt Südostasiens und den größten Pfefferhafen von Java. Leider war der Sultan ein naiver Mensch, oder er war ebenfalls ein Gauner, nur eben weniger gerissen als de Houtman, dieser unfähige Kapitän und brutale Leuteschinder, der auf der Reise zwei Schiffe und den größten Teil seiner Mannschaft verlor. Er ließ sich einen Vertrag abschwatzen – und obwohl er Cornelis de Houtman später seines rüpelhaften Benehmens wegen aus dem Land jagte, stellte dieser unglückselige Vertrag den Anfang der Kolonialisierung Javas dar. Fünf Tiegel mit Pfeffer brachte de Houtman nach Hause. Sie stellten einen Wert dar, der die Verluste dieser unglückseligen eersten Scheepvart mehr als wettmachte. Von da an gab es kein Halten mehr.«
    Anna Lisa lauschte, bedrückt vom Inhalt der Erzählung und erschreckt von der Bitterkeit, die sich im Gesicht des ehemaligen Kolonialbeamten malte, aber Simeons Gedanken gingen andere Wege. »Wenn der Adhipati so vielseitig interessiert ist, wie steht es da bei ihm mit der Botanik?«
    Zeebrugge wirkte verärgert. Da erzählte er eine nationale Tragödie, und dieser Mensch war nur daran interessiert, ob er einen zweiten Blumen- und Pflanzennarren fand. Aber da er Simeon nicht verärgern wollte, bemerkte er nur mit einem leise frostigen Unterton: »Ich sagte, sein Kunstkabinett ist sehenswert, und wie alle Sammler protzt er gerne mit seinen Schätzen. – Übrigens«, fuhr er dann fort, »besitzen Sie dieses Zauberbuch wirklich, oder haben Sie sich nur wichtiggemacht?«
    »Ich besitze es wirklich – jedenfalls eine Kopie und zwei Originalseiten. Andernfalls hätte ich Herrn Raharjo nicht davon erzählt, denn«, fügte Simeon mit einem feinen Lächeln hinzu, »ich glaube, er ist kein Mann, den man ungestraft auf die Schippe nimmt.«
    »Da gebe ich Ihnen recht. Nun« – Zeebrugge hob sein Glas –, »dann lassen Sie uns darauf anstoßen, dass wir ab morgen Nachbarn sein werden, denn das Rosenhaus liegt keine Viertelstunde von meiner eigenen bescheidenen Behausung entfernt, und im Dschungel ist man froh über jeden guten Nachbarn.«
    Anna Lisa war zumute, als würde sie von Feen entführt, so schnell ging am nächsten Morgen alles vonstatten. Sie hatte kaum Zeit zum Frühstücken, da erschien auch schon Herr Raharjo mit vier Dienern, die eine offene Sänfte trugen, und zwei Packpferden, auf denen die Koffer der Vanderheydens aufgeladen wurden. Der reibungslose Ablauf wurde allerdings ein wenig gestört, als Tietjens in voller Größe in der Halle des Hotels erschien. Da Hunde für Mohammedaner als unrein galten, hegte der Edelmann keine besondere Zuneigung zu diesen Tieren, und Tietjens’ Furcht einflößender Anblick tat das Seine dazu: Raharjo prallte zurück und griff mit der einen Hand nach hinten in die Schärpe, wo sein Dolch steckte, mit der anderen in die offene Bluse nach seinem Amulett. Pahti, der die Hündin an der Leine führte, warf sich mit einem Schreckensschrei dazwischen, bereit, eher selbst verwundet zu werden, als die Erhabene einer Gefahr auszusetzen, und auch Simeon schrie. Die Diener setzten die Sänfte ab und zogen sich einige Schritte weit zurück, wobei

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