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Die Traenen des Mangrovenbaums

Die Traenen des Mangrovenbaums

Titel: Die Traenen des Mangrovenbaums Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne de Witt
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siehst sehr hübsch aus.« Sein Blick glitt über ihre runden, seidig glatten Schultern, die sich unter dem hauchzarten Nachthemd abzeichneten, den halb sichtbaren Busen, die entblößten Arme. »So glatt, so rosig, so frisch …« Als er den Raum betreten hatte, war er deutlich erkennbar in der Stimmung gewesen, ihr stundenlang von den Wundern des botanischen Gartens zu erzählen, aber jetzt drängte seine ständig sprungbereite Lüsternheit in den Vordergrund. Er schob den Riegel vor die Tür, schlüpfte aus den Schuhen und dem Jackett und setzte sich auf den Bettrand. Ein ungewohnt wilder Geruch umgab ihn, nach frischem Schweiß und der feisten, hemmungslos wuchernden Vegetation, nach feuchtem Laub und Rindenmulch und den indischen Zigaretten, von denen er unterwegs wahrscheinlich einige geraucht hatte, um das in der Dämmerung schwirrende Geziefer von sich fernzuhalten. Als er die Hosenträger herunterstreifte und die Hosen aufknöpfte, erwartete er nichts anderes als die unfruchtbaren Zärtlichkeiten, die ihnen zur Gewohnheit geworden waren, aber sie drängte ihn rücklings nieder und setzte sich auf seinen Schoß.
    »Du gehörst mir, und ich gehöre dir«, flüsterte sie. »Bleib einfach liegen, ich mache das schon.«
    Sie konnte selbst nicht begreifen, wieso eine solche unbändige Sehnsucht sie überschwemmte, ihrem unbeholfenen Mann anzugehören, nachdem sie die raffinierten Liebkosungen eines erfahrenen Liebhabers genossen hatte. Sie wusste nur, dass sie Simeon besitzen wollte, ganz und völlig besitzen. Beinahe gewaltsam hielt sie seine Schultern fest, während sie sich langsam auf seinen Schoß sinken ließ und ihn in sich verschlang. Und diesmal war etwas zwischen ihnen, das seine Kraft bestehen ließ. Er vergaß seine Angst, ihr Schmerzen zuzufügen oder ihren Widerwillen zu erwecken. War es, weil sie nicht mehr auf ihn wartete, sondern ihn aus eigener Entschlossenheit in Besitz nahm? Jedenfalls ließ die junge Frau keinen Zweifel daran, dass er sich unnötige Sorgen gemacht hatte, und als er ihr williges Entgegenkommen, ihre begeisterte Leidenschaft spürte, warf er die Fesseln ab, in die seine Mutter ihn geschlagen hatte. Er ließ seiner Kraft freien Lauf. Es wurde Mitternacht, ohne dass die beiden darauf achteten, das Abendessen blieb unberührt, Pahti wartete nicht länger im Badezimmer – es war ein Glück, dass Tietjens von dem ungewohnten Fußmarsch buchstäblich hundemüde war, sodass sie ausnahmsweise nicht ins Zimmer ihres Herrn verlangte, sondern sich auf ihrer Matratze in Pahtis Kämmerchen zusammenrollte.
    Anna Lisa erwachte im Morgengrauen nach einer langen Nacht voller Zärtlichkeit. Ein schwaches Geräusch hatte sie geweckt – nicht alarmierend, nur nicht ganz am Platz. Sie hob träge die Lider und sah Simeon im Winkel neben der Tür stehen, über den Wäschekorb gebeugt. Es sah aus, als suchte er etwas darin.
    »Was machst du?«, fragte sie schlaftrunken.
    Ohne sich umzudrehen, antwortete er mit ruhiger Stimme: »Meine Uhrkette. Ich hatte sie in der Hemdtasche, und sie ist mit hineingerutscht, als ich das verschwitzte Hemd in den Korb geworfen habe. Oh, da ist sie. Schlaf weiter, Meisje.«
    Mit seinen schweren, holprigen Schritten kehrte er zurück ins Bett und schmiegte sich an sie. »Seit heute Nacht bist du ganz richtig meine Frau«, flüsterte er. »Gefällt dir der Gedanke?«
    »Oh, Simeon.« In ihrem halbwachen Zustand überwältigten sie ihre Gefühle so sehr, dass ihr die Tränen über die Wangen rannen. »Wenn du wüsstest, wie ich dich liebe! Ich werde nie vergessen, wie du gesagt hast: Ich wünsche, Sie könnten mich lieben. Weißt du … da schrie alles in mir: Ja! Ja! Ja! Ich liebe dich!«
    Er küsste sie zart auf den Nacken. »Dann ist alles gut«, sagte er.
    Sie drehte sich um und schloss die Augen, geborgen in seiner Umarmung. Sie fühlte sich schwer und benommen von der ungewohnten Erregung, der eine ebenso ungewohnte Befriedigung und Erschöpfung gefolgt war.
    Und mit einem Mal war sie überzeugt – sie wusste selbst nicht, warum –, dass sie schwanger war.
    Aber von welchem der beiden Männer?
    Erst am Morgen, beim Frühstück, kam Simeon auf die Ereignisse des vergangenen Tages zu sprechen. Wie sie erwartet hatte, schwärmte er von den Wundern des botanischen Gartens, aber dann hatte er etwas zu erzählen, das sie mehr interessierte. »Ganz Batavia summte vor Aufregung; ich konnte gar nicht anders, als die Geschichte mitzukriegen. Anscheinend hat der

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