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Die Traenen des Mangrovenbaums

Die Traenen des Mangrovenbaums

Titel: Die Traenen des Mangrovenbaums Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne de Witt
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ihr wurde fiebrig heiß, und sie sah plötzlich zwei Setiawans vor sich.
    Er nickte feierlich. »Der Gebieter ist viel unterwegs, er hat große und wichtige Dinge zu tun. Niemand von uns hat ihn in den letzten Tagen gesehen.« Er trat näher, und in dem Ton, in dem man ein von Albträumen geplagtes Kind beschwichtigt, sagte er: »Mevrouw ist nicht ganz gesund, sie sollte nach dem Frühstück wieder ins Bett gehen und schlafen. Die Hitze macht die Europäer krank.«
    Anna Lisa gehorchte. Wie im Traum ließ sie es geschehen, dass Aninda ihr Gesicht und Hände mit frischem Wasser wusch, ihr die Haare bürstete, das Bett frisch bezog und ihr das Frühstück im Schlafzimmer servierte. Wenigstens wurde sie von dem starken Kaffee und dem leichten, würzigen Frühstück wieder nüchtern, aber ganz bei Sinnen fühlte sie sich nicht. Erst nachdem sie zwei weitere Stunden geschlafen hatte, sah sie die Welt allmählich wieder mit klaren Augen.
    Sie wusste, dass Raharjo hier gewesen war und eine Liebesnacht mit ihr verbracht hatte, aber seine Diener hatten Order, den Besuch geheim zu halten. Ihretwegen? Um einen Skandal zu vermeiden? Oder steckte mehr dahinter? Hatte die Dienerschaft vielleicht einen weitaus wichtigeren Grund, Stein und Bein zu schwören, dass sie ihren Gebieter seit Tagen nicht mehr gesehen hatten? Mit einem Schlag fiel ihr der brandige Geruch von Schießpulver in seinen Haaren ein und die frischen Schrammen.
    Langsam dämmerte ihr, dass ihr Geheimnis nicht ans Licht kommen würde, wenn nicht sie selber es verriet.
    Aber hierbleiben konnten sie nicht, das war unmöglich. Sie konnte nicht im Haus des Mannes bleiben, mit dem sie die Ehe gebrochen hatte, wenn er jeden Tag, jede Stunde hierherkommen mochte. Sie musste sich Simeon gegenüber irgendeinen plausiblen Grund ausdenken, warum sie das Rosenhaus verlassen mussten – auch wenn es verflixt schwer sein würde, ihn dazu zu bewegen. Er war so vernarrt in die wunderbare Flora rundherum, und von seinem unschuldigen Blickpunkt aus konnte es ihnen gar nicht besser gehen, als es ihnen jetzt ging. Und Raharjo? Wie sollte es mit ihm weitergehen? Es war von Anfang an klar gewesen, dass eine feste Beziehung zwischen ihnen unmöglich war; nicht nur ihre Ehe stand zwischen ihnen, sondern das gesamte gesellschaftliche Reglement der Kolonialherren wie der Einheimischen. Für eine weiße Frau war es ein unverzeihlicher Fehltritt, sich mit einem Einheimischen oder auch nur einem Halbblut einzulassen. Der Skandal hätte sie in der gesamten europäischen Gesellschaft Niederländisch-Ostindiens unmöglich gemacht. Und für ihn war sie nicht nur eine Fremde, eine Angehörige der verhassten Kolonialmacht, sie war auch die Tochter eines einfachen – wenn auch sehr reichen – deutschen Bürgers, während er aus dem jahrhundertealten Adel des Landes stammte.
    Aber er hatte von der verbotenen Frucht gekostet, und so gut, wie sie ihm geschmeckt hatte, würde er wieder danach verlangen. Es lag diesen Fürsten und Fürstensöhnen im Blut, dass ihnen alles gehörte, wonach sie verlangten; in der gesamten uralten Tradition Javas hatte ein Edelmann nur einen Blick auf seines Nächsten Haus, Feld, Wasserbüffel oder Ehefrau werfen müssen, damit man es ihm überließ – was heißt da überließ, man rannte ihm nach damit und bat ihn untertänigst, die geringe Gabe anzunehmen. Herr Raharjo war in dieser Tradition aufgewachsen; er würde sie nicht verleugnen können oder wollen.
    Da der Tag sehr heiß war, schlief sie bis in den späten Nachmittag hinein und erwachte erst, als sie Simeons schwerfälligen Schritt im Flur draußen hörte. Einen Augenblick lang setzte ihr Herz aus. Wenn er nun unterwegs Fräulein Bertram getroffen und sie ihm alles verraten hatte? Wenn einer der Diener ihm etwas gesteckt hatte?
    Aber Sekunden später war ihr klar, dass nichts dergleichen geschehen war. Zur Tür herein kam ihr Mann, müde, verschwitzt, Gesicht und Hände von den im Dschungel allgegenwärtigen lästigen Schnaken zerstochen, aber förmlich berstend vor Glück und Zufriedenheit. Nur ein leichter Schatten lag auf seiner strahlenden Laune. »Du bist im Bett, Meisje? Herr Setiawan sagte, du seist ein bisschen krank.«
    Sie richtete sich auf den Ellbogen auf und strich das offene Haar zurück. »Ach wo; er ist immer so überfürsorglich. Mir war am Morgen ein wenig schwindlig von der Hitze. Da hat er mich ins Bett beordert, und ich habe den ganzen Tag nur gefaulenzt.«
    »Das hat dir gutgetan, du

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