Die Traenen des Mangrovenbaums
ihnen serviert hatte. Simeon, der bequem zurückgelehnt in seinem Korbstuhl saß und eine der indischen Zigaretten rauchte, deren Konsum er sich mehr und mehr angewöhnt hatte, lockerte mit dem Daumen seinen Hosenbund und bemerkte: »Meine Hosen kneifen. Ich werde fett.«
Sie lächelte ihn unter dem Schatten ihres breitkrempigen Hutes an. »Du wirst nicht fett. Du setzt endlich so viel Fleisch an, wie es sich gehört. Bisher warst du immer viel zu dünn.«
Er wollte antworten, da schreckten sie beide auf. In der Ferne knallten kurz hintereinander zwei Schüsse. Sie kamen aus der Richtung, wo Buitenhus lag. Anna Lisa meinte, dass wohl jemand auf der Jagd war oder ein Reisender ein wildes Tier von sich fernhalten musste.
Simeon erhob sich steifbeinig aus dem Korbstuhl. »Komm ins Haus«, befahl er. »Wenn hier Kugeln herumfliegen, sollten wir nicht im Freien sein.«
Sie raffte erschrocken ihre Röcke zusammen und lief ihm nach ins Haus. Im Flur stießen sie auf Herrn Setiawan, der ihnen zurief: »Bleiben Sie auf Ihrem Zimmer! Es kann gefährlich werden!« Er rannte an ihnen vorbei, und sie hörte, wie er die gesamte Dienerschaft ins Haus beorderte und die Tür verschloss.
Ratlos saßen die beiden jungen Eheleute auf dem Bett in ihrem Zimmer und warteten ab, was weiter geschehen mochte. Bedeuteten die Schüsse den Angriff einer Räuberbande, die es auf das einsam gelegene Haus abgesehen hatte?
Herr Raharjo war mit seinem getreuen Dongdo in der Wildnis von Buitenhus unterwegs gewesen, auf der Suche nach einem weiteren Schatzversteck, als zwei Schüsse aus dem Hinterhalt auf ihn abgefeuert wurden. Die Mündungen der Gewehre ragten durch Löcher in den Bambusvorhängen zweier Fenster des verlassenen Hauses. Es waren zwei berufsmäßige Meuchelmörder in den Diensten des Kontrolleurs, die die Schüsse abgefeuert hatten; sie hatten beobachtet, dass der junge Adelige öfters in der verlassenen Plantage unterwegs war, und dort auf ihn gewartet. Beide trafen ihn von hinten, der eine in die rechte Schulter, der andere in die Lendenwirbel, sodass er gelähmt zusammenbrach.
Dongdo schaffte es, ihn auf seine Arme zu heben und im Schutz der Büsche zu der Stelle zu tragen, wo die Pferde warteten. Er wollte ihn in den Sattel heben, aber der Verwundete fiel vornüber wie eine Puppe. Also band der Sklave den Araberhengst los und ließ ihn laufen, wohin er wollte, er selbst schwang sich auf sein breitrückiges Pferd und zog den Gelähmten zu sich in den Sattel, und während er seinen Herrn mit einem Arm hielt, ritt er den Weg zum Rosenhaus entlang. Er hatte jedoch kaum den Totenhof auf halber Strecke erreicht, als ihm klar wurde, dass Raharjo im Sterben lag. Sein Gesicht war bläulich bleich, die Züge seltsam spitz und scharf. Er würde es niemals bis zum Rosenhaus schaffen.
Dongdo hob seinen Herrn vom Pferd und trug ihn in den Schatten des verlassenen Hauses. In der ehemaligen Küche breitete er seinen Mantel auf den Boden und bettete den Sterbenden darauf. Raharjo lächelte schwach, als er, aus seiner halben Ohnmacht erwachend, den Hof wiedererkannte. Es war ihm also bestimmt, hier zu sterben, wo er selbst getötet hatte. Das Schicksal war gerecht, am Ende blieb seine Waage im Gleichgewicht.
Nicht, dass er Reue empfunden hätte. Seine Leute hatten nur die gerechte Strafe an den Gerstenbauers vollzogen, den Eindringlingen, die ihr Haus auf einen Grund gebaut hatten, in dem die Gräber javanischer Prinzen und Prinzessinnen aus uralter Zeit lagen. Aus den Steinen der halb zerfallenen Monumente hatten sie einen Stall für ihre Schweine und Ziegen errichtet, der Kot der unreinen Tiere bedeckte die heiligen Stätten. Man hatte sie gewarnt, einmal, zweimal. Sie hatten nicht darauf geachtet. Nein, Raharjo sah keinen Anlass, seine Tat zu bedauern. Leid hatte ihm nur getan, dass die unschuldigen Bauern aus dem nahe gelegenen Kampong dafür hatten bezahlen müssen, aber auch ihr Blut war gerächt worden.
»Ich sterbe, Dongdo«, flüsterte er.
Der schwarze Sklave gab keine Antwort. Er brachte es nicht übers Herz, zuzustimmen, aber er wusste auch, dass sein Herr recht hatte. Einer der Schüsse hatte seine rechte Schulter zerschmettert, das war eine Wunde, die geheilt hätte werden können, aber der andere hatte nicht nur die Wirbelsäule verletzt, sondern auch die inneren Organe. Raharjo verblutete innerlich.
Der Verwundete versuchte, die Rechte zu heben, aber sie fiel kraftlos zurück. Er stöhnte leise. Sein schwimmender Blick
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